„Afrika kommt!“

Deutschkurs bei SAP

Junge Führungskräfte aus Afrika wollen bei Dax-Konzernen lernen - die Bundesregierung hilft dabei.

Weniger Entwicklungshilfe, mehr Investitionen - so könnte man den derzeitigen Ansatz in der deutschen Afrika-Politik zusammenfassen. Im Juni wurde das neue Afrika-Konzept der Bundesregierung verabschiedet, diese Woche versuchte Angela Merkel auf ihrer dreitägigen Reise durch den schwarzen Kontinent das Papier mit Leben zu füllen. Merkel nahm eine elfköpfige Wirtschaftsdelegation mit auf die Reise, ihre Botschaft war: Wir wollen mit Geschäften afrikanische Wirtschaften ankurbeln und damit Hilfe zur Selbsthilfe leisten.

Der Anteil Afrikas am deutschen Außenhandel liegt noch bei lediglich knapp über zwei Prozent, aber die deutsche Wirtschaft hat sich vor drei Jahren entschieden, afrikanischen Führungsnachwuchs zu qualifizieren. Die Initiative, an der sich 19 Dax-Unternehmen beteiligen, heißt „Afrika Kommt" und wird von Stiftungen, dem Auswärtigen Amt und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit unterstützt. Diese Woche hat der zweite Ausbildungsgang begonnen. 17 junge Führungskräfte aus Ländern südlich der Sahara werden nach einem dreimonatigen Deutschkurs neun Monate lang in deutschen Unternehmen arbeiten. „Wir wollen sie mit unserem Land, mit der deutschen Politik, Wirtschaft und Kultur vertraut machen", sagt Tilman Todenhöfer, Mitinitiator des Projekts und geschäftsführender Gesellschafter der Robert Bosch Industrietreuhand KG.

„Ich hatte gehört, viele Deutsche seien nicht besonders freundlich. Aber so ist es gar nicht."

Die Initiative sei „keine Anwerbeaktion" für deutsche Konzerne, die in Afrika investieren und oft auf einheimische Mitarbeiter angewiesen sind, betont Todenhöfer. Nach dem ersten Gang 2008 bis 2009 seien zwar einige Absolventen übernommen worden. Aber der Zweck sei viel mehr, der Jugend in Afrika eine Perspektive zu bieten. „Viele finden danach Arbeit bei einheimischen Firmen und geben ihr Wissen an ihre Landsleute weiter. Im Endeffekt bringt es natürlich auch den deutschen Unternehmen Vorteile, wenn sie Menschen ausbilden, die sich in ihren Ländern für Deutschland einsetzen."

Die Initiative wurde 2008 vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler angeregt. „Wir müssen etwas machen", habe ihm der Staatschef nach einer Afrika-Reise bei einem Empfang im Schloss Bellevue gesagt, erinnert sich Todenhöfer. Kurz danach erklärten sich Dax-Konzerne wie Daimler, SAP und Commerzbank bereit, jeweils einen jungen Spezialisten aus Afrika in Deutschland zu qualifizieren. Deutsche Botschaften in Afrika übernahmen die Organisation des Auswahlverfahrens.

Akinyi Juddy Otieno aus Kenia landete so bei Bosch in Stuttgart. „Ich hatte gehört, viele Deutsche seien nicht besonders freundlich und dafür Perfektionisten", sagt die 31-jährige Qualitätsanalystin für Informationstechnologie. „Aber so ist es gar nicht." Otieno hat nach ihrer Rückkehr 2009 mitten in der Wirtschaftskrise Arbeit bei einem Finanzinstitut gefunden, das vor allem in Kenia und Simbabwe tätig ist. „Die Konkurrenz war hart, aber meine Chefin war begeistert von meiner Deutschland-Erfahrung."

Die Hürden sind bei der Auswahl der „Afrika Kommt"-Teilnehmer hoch. Bewerben können sich Hochschulabsolventen mit erster Berufserfahrung. Dieses Jahr gingen 1697 Bewerbungen aus 38 Ländern ein - für 17 Plätze. Die aussichtsreichsten Kandidaten wurden zu individuellen Auswahltests eingeladen. „Wir schauen neben den Fachkenntnissen und Berufserfahrung auch auf die Bereitschaft, sich auf Deutschland und auf die Sprache einzulassen", sagt Projektleiter Todenhöfer. Mehr Ausbildungsplätze seien vorerst nicht geplant: „Qualität geht vor Masse." Eine, die es in diesem Jahr geschafft hat, ist Ayingono Moussa vou, geboren in Gabun. Sie ist 32 und arbeitet seit acht Jahren in Cape Town als Energie-Analystin. Nun soll sie bei Siemens in der Verkaufsabteilung Erfahrung sammeln. „Die Deutschen sind bekannt für ihre Effizienz und Präzision", sagt sie, „Meine ersten Eindrücke in Deutschland zeigen, dass das stimmt." Ob sie in ihrer Firma in Südafrika später mehr Geld verdienen wird? „Vielleicht, aber ich mache das nicht wegen des Geldes. Ich will Deutschland kennenlernen."


Autor: Tim Neshitov.
Der Artikel erschien zuerst in der Süddeutschen Zeitung vom 16.07.2011.