Wie sinnvoll ist die Partnerschaft zwischen der GIZ und der Privatwirtschaft?

"Kleidung sozial und ökologisch produzieren"

Ein Interview mit Elke Shrestha. Sie ist Seniorberaterin des Bangladeschisch-Deutschen Vorhabens “Förderung von Sozial- und Umweltstandards".

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Redaktion: Die GIZ unterstützt Bangladesch im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) schon seit 2006 bei der Förderung von Öko- und Sozialstandards in den Fabriken. Dabei arbeiten Sie auch mit den internationalen Handelsketten als Partner zusammen. Warum eigentlich?

Shrestha: Die Partnerschaft mit den Einkäufern der Handelsketten birgt zahlreiche Vorteile. Die Einkäufer vergeben die Aufträge an die Unternehmen. Dadurch haben sie ganz andere Einflussmöglichkeiten. Die „Codes of Conduct“ der internationalen Firmen fordern inzwischen die Einhaltung internationaler Öko- und Sozialstandards. Dies schon allein durch den Druck der Konsumenten. Uns öffnen die Geschäftsbeziehungen dieser Ketten die Tür zu den Fabriken. Durch sie können wir unsere Ansätze in Fabriken hineintragen und sowohl den Handelsketten als auch den Managern der Zulieferunternehmen zeigen, dass sie einerseits ihre Standards verbessern, gleichzeitig aber auch ihre Produktivität erhöhen. Damit erreichen wir unser Ziel viel schneller und nachhaltiger.

Sie sagen nachhaltiger. Wie meinen Sie das?

Wir nutzen mit unserem Projektansatz den Zugang zu den Fabriken der Einkäufer, um dort gemeinsam mit internationalen Spezialisten lokale Dienstleister auszubilden. Lokale Expertise ist hier schwer zu finden. Den Fabrikmanagern fehlen das Wissen, die Informationen und Qualifikationen, um ihre Sozial- und Umweltstandards zu verbessern. Durch die von uns ausgebildeten Dienstleister bauen wir einen Markt an qualifizierten Consultants hier im Land auf, die zukünftig weitere Fabriken beraten. Auf der einen Seite kontrollieren die Handelsketten den Fortschritt bei ihren Zulieferfabriken und achten darauf, dass sie die Standards einhalten. Auf der anderen Seite benötigen die Fabriken professionelle Beratung bei der Umsetzung der geforderten Standards. Wir nutzen damit Marktmechanismen aus, die gewährleisten, dass auch über das Projektende hinaus die Fabriken die Dienstleistungen der Consultants nachfragen.

Ein wenig Geld geht einen langen Weg.

Die Handelsketten haben doch selber ein starkes Interesse daran, dass ihre Zulieferer gemäß der von ihnen geforderten Standards arbeiten. Warum finanzieren sie denn dann solche Projekte nicht komplett alleine?

Die Handelsketten sehen sich nicht in der Rolle, ihren Lieferanten Ausbildungs- und Schulungsangebote zu liefern. Sie möchten, dass die Fabriken sich die notwendigen Beratungsdienstleistungen auf dem lokalen Markt einkaufen. Bislang gab es jedoch kaum ein Angebot hier in Bangladesch. Es ist außerordentlich schwierig, das notwendige Fachwissen zu finden. Das hat sich durch die Zusammenarbeit zwischen uns und den Handelsketten geändert. Einige Lieferanten kaufen die notwendigen Dienstleistungen inzwischen bei den von uns ausgebildeten Consultants direkt ein – nachdem die Handelsketten sie dazu aufgefordert haben.

Die Zulieferer reagieren also auf den Druck ihrer Auftraggeber, den Bekleidungsketten. Haben die Fabrikmanager denn auch etwas von den Öko- und Sozialstandards?

Die Unternehmer hier haben in mehr als einer Hinsicht etwas davon. Durch die Einhaltung der Standards sichern sie sich langfristig ihre Aufträge von den Bekleidungsketten und können effizienter produzieren. Es ist erwiesen, dass sich Fluktuation und die Fehlzeiten verringern, wenn die Arbeitsbedingungen stimmen. Die Unternehmen senken durch verbessertes Chemikalienmanagement und Energieeffizienz mittelfristig ihre Kosten. Insgesamt erhöht sich die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen.

Sie haben zahlreiche Aspekte der Öko- und Sozialstandards aufgeführt. Hängen diese beiden Standards irgendwie zusammen?

Oh ja! In Umweltstandards sind zahlreiche soziale Aspekte enthalten. Denken Sie an den Umgang mit Chemikalien. Verbessern Sie hier die Abläufe, erhöht sich automatisch die Sicherheit der ArbeiterInnen, die damit zu tun haben. Oder das Thema Energieeffizienz: Viele Brände mit zahlreichen Opfern hier im Land werden durch unsachgemäß verlegte elektrische Leitungen oder schadhafte elektrische Geräte verursacht. Diese Probleme nehmen die von uns geschulten Berater in Angriff. Und das sind nur ein paar wenige von zahlreichen Beispielen.

Wird die Zusammenarbeit mit den Handelsketten und Fabriken Ihrer Ansicht nach immer weiter auf gemeinsam finanzierten Projekten beruhen?

Nein, die Zusammenarbeit verändert sich. Die Bekleidungsketten haben inzwischen Vertrauen in unsere Arbeit gewonnen und gesehen, dass unser Ansatz funktioniert. Einige arbeiten jetzt schon ohne unsere Hilfe weiter, indem sie Fabriken mit Dienstleistern zusammenbringen. Es gibt auch Handelsketten, die die GIZ als Dienstleister im Rahmen von regional übergreifenden Projekten direkt beauftragen und andere, die sich mit einem sehr hohen finanziellen Beitrag in gemeinsame Projekte einbringen.

Hier in Bangladesch haben Sie mit Ihrem Konzept schon viel erreicht. Lässt sich dieser Ansatz auch auf andere Länder oder Industrien übertragen? Und wer kann das nutzen?

Da wir das gesamte Schulungskonzept in Modulen aufgebaut haben, ist es sehr flexibel. Je nach Bedarf können Handelsketten oder Zulieferunternehmen zu den Themen Energieeffizienz, Chemikalienmanagement, Sozialstandards oder Produktivität ein Dienstleistungsangebot anfragen. Das ist weder auf die Textilindustrie beschränkt noch auf ein spezifisches Land. Das zeigt sich schon allein daran, dass einige unserer Wirtschaftspartner das hier erprobte Konzept auf Länder wie Indien, Sri Lanka oder Thailand übertragen.

Es ist erstaunlich, wie viel Veränderung wir mit relativ wenig Geld bewirken konnten.

Wenn Sie sich die Situation in Bangladesch über die vergangenen fünf Jahre anschauen: Hat sich hier im Land politisch und gesellschaftlich etwas verändert durch Ihre Arbeit?

Es hat sich sogar sehr viel verändert! Bei Regierung, Fabrikmanagern, Verbänden und in der Bevölkerung sind Umwelt- und Sozialstandards ein Thema geworden. Die Fabrikbesitzer kennen die Arbeitsgesetze des Landes und Kinderarbeit ist beispielsweise seltener geworden. Viele Manager wissen, dass die Umweltsituation schlecht ist und sehen, dass sie etwas verändern müssen. Es gibt inzwischen Fabriken, die von sich aus auf die Consultants zugehen und mit Veränderungen beginnen. Die Regierung straft verstärkt Textilfabriken ab, die ihr Abwasser ungeklärt in Flüsse einleiten. Das war bis vor zwei Jahren undenkbar.

Ganz wichtig finde ich auch, dass sich die Akzeptanz von Beteiligungsausschüssen verbessert hat, die wir bei der Beratung zu Sozialstandards in einigen Fabriken etablieren. In den Ausschüssen sitzen ArbeiterInnen, mittleres und oberes Management, Betriebsrat und versuchen Konflikte friedlich zu lösen. Diese Entwicklung macht Hoffnung, insgesamt ist es aber noch ein langer Weg bis man die Arbeitsbedingungen überall als gut bezeichnen kann.

Wie sieht es denn mit der Gesetzeslage aus?

Die Gesetze hier im Land sind ausreichend, aber sie werden häufig nicht eingehalten. Der Regierung fehlt es an Personal. Es gibt derzeit nur 15 Umweltinspektoren, die natürlich mit den etwa 4500 Fabriken völlig überfordert sind… Kürzlich hat die Regierung das Mindesteinkommen für ArbeiterInnen in der Bekleidungsindustrie fast verdoppelt. Das reicht zwar immer noch nicht zum Leben, aber es ist ein wichtiger Meilenstein.
Die Umweltgesetzgebung ist auch ein Betätigungsfeld für uns. Wir arbeiten zusammen mit der Regierung an Regeln zur Entsorgung von Textilschlämmen, die es bislang nicht gibt.

Wenn Sie auf gemeinsamen Projekte mit der Wirtschaft hier zurückblicken: Wie wirtschaftlich war diese Zusammenarbeit?

Es ist erstaunlich, wie viel Veränderung wir mit relativ wenig Geld bewirken konnten. Durch den Druck der Bekleidungsketten auf ihre Zulieferer haben wir nachhaltig die Fabriken verändert und einen Dienstleistungsmarkt aufbauen können. Für diesen Erfolg brauchten wir die Partnerschaft mit den Bekleidungsketten und die brauchten uns! Denn wir haben das nötige technische Know-how und die guten Kontakte zu Regierung und Branchenverbänden.

Das Interview erschien zuerst in der GIZ Broschüre "Gemeinsamer Fortschritt durch gemeinsames Handeln" im Februar 2013.