"Afrika kommt!"

Kontinent der Zukunft

19 deutsche Unternehmen wollen die wirtschaftliche Entwicklung in Subsahara-Afrika unterstützen. Im Rahmen der Initiative „Afrika kommt!" bilden sie junge Führungskräfte aus Afrika in ihren Unternehmen weiter. Mit von der Partie ist Boehringer Ingelheim.

Selbstbewusst und mit einem freundlichen Lächeln tritt Boipelo Bolen in die Empfangshalle von Boehringer Ingelheim. Die junge Frau aus Botsuana schaut sich neugierig um, schließlich wird sie hier ab dem nächsten Monat für das nächste Dreivierteljahr arbeiten. Michael Rabbow aus der Unternehmenskommunikation und Beate Hunzinger, die zuständige Personalleiterin, erwarten die neue Kollegin schon. Es ist nicht die erste Begegnung zwischen der Afrikanerin und den Mitarbeitern des Pharmaunternehmens. Die Wege von Bolen und Hunzinger haben sich bereits vor sechs Monaten in Nairobi gekreuzt. Dort sah sich die Personalleiterin einer Gruppe von 64 hoch motivierten jungen Menschen aus 14 afrikanischen Ländern gegenüber. Gemeinsam mit Heiner Boeker, Bosch GmbH, und zwei Experten der GIZ stand sie vor der Aufgabe, 17 Kandidaten auszuwählen, die sich für ein Jahr in Deutschland weiterbil­den und hier leben werden. Dahinter steht die Initiative „Afrika kommt!", die Bosch zusam­men mit 18 deutschen Unternehmen vor drei Jahren ins Leben gerufen hat. Sie geben Nach­wuchsführungskräften aus Afrika südlich der Sahara die Möglichkeit, hinter deutsche Unter­nehmenskulissen zu schauen und so ihre Ma­nagement- und Führungskompetenzen auszu­bauen. Durch diese enge Zusammenarbeit ent­stehen nachhaltige Kooperationen und ein Netzwerk zwischen Deutschland und Afrika.

Mit Boipelo Bolen und ihren Kolleginnen und Kollegen empfangen die gastgebenden Fir­men bereits zum zweiten Mal afrikanische Nachwuchsführungskräfte unter ihrem Dach. Nach der Vorbereitungsphase mit einem vier-monatigen Sprachkurs werden Bundespräsi­dent Christian Wulff und hochrangige Vertre­ter der gastgebenden Firmen die Teilnehmer bei einem Empfang in Berlin offiziell be­grüßen. Danach sind die Teilnehmer in ihrem Patenunternehmen intensiv in den Arbeitsprozess eingebunden.

Qual der Wahl

Insgesamt hatten sich 1.697 Af­rikanerinnen und Afrikaner um einen der 17 Stipendiatenplätze beworben; 64 von ihnen schaff­ten es in die Endrunde. Die An­forderungen der Jury waren hoch, erinnert sich Hunzinger: „Wir haben nach offenen, lern­begierigen Menschen geschaut, die bereit sind, sich auf Deutsch­land einzulassen. Wir wollten Leute, die die afrikanische Kultur zu uns bringen und ihrerseits ein Stück unserer Kultur wieder mit nach Hause nehmen." Daneben musste das berufliche Profil der Bewerber zum Arbeitsplatz im Patenunternehmen passen. Boipelo Bolen hat es geschaffi, den An­sprüchen der Jury zu genügen. Seit drei Mo­naten lernt sie gemeinsam mit ihren Mit­streitern Deutsch, in Kürze geht es dann zu Boehringer nach Ingelheim. Interessiert schaut sie sich mit ihrer künftigen Chefin Judith von Gordon, Leiterin der externen Unternehmens­kommunikation, ihr Arbeitsumfeld in spe an. Ihren Job als PR-Managerin beim Energiemi­nisterium in Botsuana hat Bolen für die Erfah­rung in Deutschland aufgegeben, denn: „Ich will hier lernen, wie man eine PR-Abteilung managt, organisiert und aufbaut, so dass alles richtig gut funktioniert. Manche Menschen finden die Deutschen starr und unflexibel. Das sehe ich ganz anders. Gerade weil sie geradeaus auf ihr Ziel zusteuern und sich darüber im Kla­ren sind, was sie wollen, haben sie den Ruf, kompetent und effizient zu sein." 

Große Projekte verantworten

Mit ihren Wünschen ist sie in der Unterneh­menskommunikation bei Boehringer Ingelheim gut aufgehoben. Das Familienunternehmen vermarktet seine Produkte weltweit und entwi­ckelt dafür internationale Kommunikationsstrategien. Für die Image- und Produktkommu­nikation nutzt die Firma immer stärker Social-Media-Plattformen. Dieses Know-how will von Gordon weitergeben: „Wir agieren sehr profes­sionell auf diesem Gebiet. Diese Erfahrungen möchte ich mit meiner Kollegin aus Botsuana teilen und ihr Anregungen mit auf den Weg ge­ben, wie sie diese Kommunikationsmittel nut­zen kann." Neben der fachlichen Expertise ste­hen Managementfähigkeiten im Fokus. Von de­nen bekommt Bolen eine ganze Menge im Team der Unternehmenskommunikation mit, denn sie wird bei Boehringer Ingelheim für komplexe Projekte verantwortlich sein. Außerdem besu­chen die Stipendiaten einen einmonatigen Ma­nagementkurs.

Hier untermauern sie ihre prak­tische Erfahrung aus den Unternehmen mit theoretischen Kenntnissen rund um Projektma­nagement, Projektplanung und Personalma­nagement. Denn nur dieses gesamte Paket ebnet laut Be­ate Hunzinger den Weg hin zu dem Grundgedanken von „Afrika kommt!": „Wir wol­len Teil der deutschen Un­ternehmerschat sein, die af­rikanische Nachwuchsführungskräte ausbildet. Mit dem hier bei uns erwor­benen Wissen gehen die jungen Leute in ihre Herkunftsländer zurück und können dort die wirt­schaftliche Entwicklung mitgestalten und beschleuni­gen." Die Stipendiaten erwerben das Hand­werkszeug, zu Hause ihre eigenen Pläne zu verfolgen. „Ich träume davon, später mal meine eigene Image-Consul­ting-Firma zu haben. Da möchte ich Menschen aus meinem Land schulen und fortbilden. All das, was ich in Deutschland lerne, kann ich in Botsuana weitergeben: an meine Kollegen, an meine Freunde, an meine Familie. Denn ich bringe ja nicht nur fachliches Wissen mit heim, sondern lerne auch persönlich unglaublich viel dazu", erklärt Bolen.  

Gut vernetzt

Durch den Aufenthalt entstehen persönliche und professionelle Kontakte. Auf dem kleinen Dienstweg kann Bolen später einfach zum Hö­rer greifen und einen Kollegen bei Boehringer Ingelheim berulich um Rat fragen. Aber auch der umgekehrte Weg ist möglich: „Wenn es um wirtschaftliche Kontakte nach Afrika geht, kann ich sicherlich dabei helfen, dass sich für Boehringer Ingelheim einige Türen leichter öffnen", versichert Bolen. Die entstehenden Netz­werke sind das A und O. Für die deutschen Un­ternehmen war es deshalb von Anfang an klar, dass sie diese formalisieren müssen. So organi­sierte die GIZ im Auftrag der Unternehmen schon mit dem ersten Stipendiatenjahrgang ein Alumninetzwerk, in dem sich die ehemaligen und aktuellen Teilnehmer untereinander aus­tauschen. Hier haben Bolen und ihre Gruppe jeden letzten Donnerstag im Monat die Gele­genheit, den alten Hasen Fragen zu stellen, sich Ratschläge abzuholen und um Einschätzungen zu bitten. Dabei reden nicht nur die afrikani­schen Teilnehmer miteinander, sondern auch die deutschen Unternehmensvertreter.

Zusammen mit Beate Hunzinger kümmert sich Michael Rabbow bei Boehringer Ingelheim um „Afrika kommt!" und weiß: „Wir lernen von Stipendiatenjahrgang zu -jahrgang mehr aus dem Programm. Der interkulturelle Aus­tausch zwischen den Stipendiaten und Unter­nehmen klappt wunderbar. Und zwar über das Ende der Studienaufenthalte hinaus." Der Sti­pendiat von Boehringer Ingelheim aus der ver­gangenen Runde kam aus Ruanda. Er ist heute mit der deutschen Botschaft vor Ort verbun­den, genauso wie mit seinem Patenunterneh­men. Die Vision eines deutsch-afrikanischen Netzwerks, das den deutschen Unternehmern 2008 vorschwebte, nimmt immer mehr Gestalt an. Der Grund ist laut Rabbow ganz einfach: „Afrika ist der Kontinent der Zukunft!"

Autorin: Gabriele Rzepka, freie Journalistin mit den Schwerpunkten Entwicklungspolitik und Technik.
Der Artikel erschien zuerst im GIZ-Magazin akzente, Ausgabe 04/2011.