Indigene Interkulturelle Universität

Projektkurzbeschreibung

Bezeichnung: Indigene Interkulturelle Universität (IIU) 
Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 
Land: Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Ecuador, Guatemala, Kolumbien, Mexiko, Nicaragua, Peru, Spanien
Politischer Träger: Fondo para el Desarrollo de los Pueblos Indígenas de América Latina y El Caribe mit Sitz in La Paz, Bolivien
Projektlaufzeit: 2005 bis 2017

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Ausgangssituation

Viele lateinamerikanische Staaten erkennen die indigene Bevölkerung in neu verabschiedeten Gesetzen als Teil ihrer multikulturellen Gesellschaft an. Die Gesetzgebung hat den Einfluss und die Rechte indigener Organisationen gestärkt. Nach wie vor gibt es jedoch nur sehr wenige Institutionen, die indigene Männer und Frauen für die effektive Mitwirkung in staatlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturen ausbilden und indigene Studiengänge in ihren Lehrplänen verankert anbieten.

Vielfach werden Bildungs- und Ausbildungsbedarfe der indigenen Bevölkerung durch die aktuellen Bildungssysteme nicht gedeckt. Die vorhandenen Lehrangebote zu indigenen Themen berücksichtigen die gewachsene Bedeutung der indigenen Bevölkerung in gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Prozessen nicht, sodass sie die Durchsetzung der international anerkannten Rechte indigener Völker nicht unterstützen. An den meisten Hochschulen fehlen Studiengänge, in denen traditionelles indigenes Wissen vermittelt wird. Wertvolle Potenziale für den interkulturellen Dialog bleiben folglich ungenutzt. Indigene Frauen haben außerdem immer noch ein niedrigeres Bildungsniveau als indigene Männer und benötigen daher einen quantitativ und qualitativ besseren Zugang zu höheren Bildungseinrichtungen.

Ziel

Das Netzwerk der Indigenen Interkulturellen Universität (IIU) hat nachhaltige Strukturen entwickelt. Die indigene Bevölkerung hat Zugang zu qualifizierter Hochschulbildung, die indigenes Wissen und Gendergerechtigkeit einschließt.

Indigenen Organisationen und lateinamerikanischen Regierungen stehen qualifizierte Fach- und Führungskräfte zur Verfügung, die sie bei indigenen und interkulturellen Aufgaben unterstützen können.

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Vorgehensweise

Zum virtuellen Netzwerk der Indigenen Interkulturellen Universität (IIU) gehören die vier Teilnetzwerke RUIICAY (indigene Universitäten), RECAA (konventionelle Universitäten), REUII (Absolventen) und CII (Interkulturelle Indigene Fakultät). Insgesamt sind in diesen Teilnetzwerken 25 konventionelle, indigene und interkulturelle Universitäten organisiert, die meisten davon in Lateinamerika, eine in Spanien. Darüber hinaus sind indigene Weise, Männer, Frauen und die Absolventen der IIU Mitglied im virtuellen Netzwerk. Angeboten werden drei- bis achtmonatige Kurse, einjährige Spezialisierungskurse und zweijährige Masterstudiengänge.

Das Projekt unterstützt das IIU-Netzwerk fachlich, organisatorisch und finanziell bei der Einrichtung und Durchführung von Postgraduierten-Studiengängen, die besonders auf die Bedarfe indigener Studierender ausgerichtet sind. Gefördert werden außerdem interkulturelle und erkenntnisorientierte Dialogräume, die Interkulturelle Indigene Fakultät (CII), die Organisationsentwicklung des Indigenen Fonds, Wissensmanagement und eine nachhaltige Ausrichtung des IIU-Netzwerks.

Die Kurse werden als Fernstudium mit Teilpräsenz durchgeführt, um auch Frauen und Männern das Studium zu ermöglichen, die auf Grund ihrer Arbeitsbedingungen oder ihrer Wohn- und Einkommenssituation in der Regel keinen Zugang zu Universitäten haben. Der Hauptteil des Studiums wird online absolviert. In zwei Präsenzphasen unterrichten indigene Expertinnen und Experten, die der Indigenen Fakultät angehören und aus ganz Lateinamerika stammen, Module zu Geschichte, Weltanschauungen, Traditionen und Wissen indigener Völker. Die wichtigste Innovation des Vorhabens ist die Fokussierung auf die Integration in bestehende Hochschulen. Durch Maßnahmen zur Stärkung und Unterstützung des Absolventennetzwerks sichert das Vorhaben die Nachhaltigkeit der kollektiven Lernprozesse. Gleichzeitig wird so der wissensorientierte Dialog zwischen westlich orientierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, indigenen Führern sowie weisen Männern und Frauen vertieft.

Zurzeit bietet die IIU Studiengänge zu indigenem Recht an, zu interkultureller Medizin, interkultureller zweisprachiger Erziehung, zu Regierungsführung und öffentlicher Politik, internationaler Zusammenarbeit, selbstbestimmter Entwicklung, zum Schutz indigener Sprachen sowie zur Stärkung der Führungskompetenzen indigener Frauen. Die Stärkung und Begleitung des Absolventennetzwerks sichert die Nachhaltigkeit der kollektiven Bildungsprozesse maßgeblich und unterstützt zudem die Arbeit die indigenen Fach- und Führungskräfte.

In den letzten beiden Jahren hat sich das Vorhaben vor allem darauf konzentriert, die institutionelle, finanzielle und akademische Nachhaltigkeit des Netzwerks zu stärken. Darüber hinaus werden die einzigartigen Erfahrungen der IIU systematisiert, um sie politischen Entscheidungsträgern in der Region zur Verfügung zu stellen.

Wirkung

Seit ihrer Einführung sind die Postgraduierten-Angebote auf großes Interesse bei Akademikern und indigenen Führern gestoßen. Das zeigen die hohen Bewerberzahlen und die fast 1.000 Teilnehmenden, die in der zehnjährigen Laufzeit des Projekts ein Postgraduiertenstudium absolviert haben. Die Bewerber und Graduierten, von denen mehr als 50 Prozent Frauen sind, kommen aus 20 verschiedenen Ländern und repräsentieren mehr als 90 indigene Völker. Eine Verbleibstudie unter 40 Prozent der Graduierten zeigte, dass diese bis Ende 2010 ausnahmslos als Fach- und Führungskräfte eingesetzt wurden. 90 Prozent der befragten Personen arbeiten in indigenen und internationalen Organisationen, staatlichen Institutionen oder wissenschaftlichen Einrichtungen. Mehr als die Hälfte sind in Führungspositionen tätig.

Die Anerkennung der Indigene Fakultät (CII) in der Region nimmt zu; sie gilt inzwischen als Vorbild für alternative Hochschulbildungsmodelle. Das IIU-Netzwerk ist auch für europäische Universitäten ein anerkannter Projektpartner. Die Ernennung der Interkulturellen Indigenen Fakultät zum UNESCO-Lehrstuhl für indigene Völker in Lateinamerika hat die Institutionalisierung der IIU vorangebracht – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Sicherung der Nachhaltigkeit des Netzwerks.

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