Sport als Sprungbrett

1:0 für Entwicklung

Die Olympischen Spiele in Rio werden Millionen von Menschen in ihren Bann ziehen. Welche Rolle kann Sport aber abseits von hochbezahlten Stars, Titeln, Ruhm und Ehre spielen?

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Ein Interview mit Heidi Beha, die als ehemalige Fußballspielerin mit Sport Perspektiven für Jugendliche in Kenia schafft.

Frau Beha, welche Erfahrungen machen Sie mit Sport für Entwicklung?

Schneller, höher, weiter – es steckt sehr viel Dynamik in „Sport für Entwicklung“ und das nicht allein des Sports wegen. In Subsahara-Afrika, wo fast jeder zweite unter 15 Jahre alt ist, ist die Nachfrage riesig: von Material, Infrastruktur, Weiterbildung bis zur Schaffung von ausreichend Sportangeboten. Vor allem die Themen Bildung, Gleichberechtigung der Geschlechter, Gesundheit und Frieden adressieren wir im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit Sport für Entwicklung.

Was machen Sie in Kenia?

Gewaltprävention durch Sport ist unser Fokus. Zum Beispiel arbeiten wir zur Integration von Flüchtlingen. Im Camp in Kakuma treffen knapp 200.000 Menschen aus dem Südsudan, Somalia oder der Demokratischen Republik Kongo aufeinander, sprechen nicht die gleiche Sprache und kommen aus Krisengebieten. Das Zusammenleben untereinander und mit der kenianischen Bevölkerung im Umland führt nicht selten zu Konflikten. Brennholz und Trinkwasser sind knapp im Nordwesten Kenias, genauso wie Bildung. Der Verwaltungsbezirk rund um das Camp ist einer der ärmsten des Landes.

Sprechen die Leute dort von Olympia?

Ja, es ist ein großes Thema. Erstmals geht eine Mannschaft aus Flüchtlingen bei den Olympischen Spielen an den Start. Zwei Frauen und drei Männer aus dem Lager in Kakuma schreiben Geschichte. Sie starten für das Flüchtlingsteam über 1.500 und 800 Meter. Solche Vorbilder sind wichtig und zeigen, dass Sport ein Sprungbrett sein kann. Jeder kennt diese Geschichten im Flüchtlingslager und saugt sich Hoffnung daraus für den eigenen Lebensweg. So strahlt Rio bis in den Nordwesten Kenias.

Bietet Sport für Entwicklung eine längerfristige Perspektive?

An Schulen im Flüchtlingslager sitzen mehr als 100 Schüler in einer Klasse. Viele Kinder und Jugendliche haben gar keinen Platz an einer Schule bekommen. Bildung außerhalb von Klassenzimmern ist daher sehr gefragt. Mit Sport für Entwicklung füllen wir diese Lücke im Auftrag des BMZ– im Flüchtlingslager in Kakuma und Umgebung sowie in anderen Regionen Kenias. Durch die aktuelle Bildungsreform erhält Talentförderung in Kultur und Sport im Curriculum eine größere Bedeutung für Schulen in Kenia. Somit verstärkt sich unsere Wirkung und trägt langfristig zur Entwicklung im Land bei.

Welche Wirkungen erzielen Sie?

Bisher haben in unseren Projektländern 22.000 Kinder und Jugendliche profitiert. Sie rennen, dribbeln, pritschen und prellen regelmäßig, angeleitet von Trainerinnen, Trainern und Lehrerinnen und Lehrern, die in die Übungen spezielle Lerninhalte einbauen. Aktuell sind in neun Ländern Afrikas 46 Sportplätze im Bau oder in Planung, 24 weitere sind bereits fertig. Darüber hinaus bilden wir Lehrerinnen, Lehrer, Trainerinnen und Trainer weiter, die schon mit Jugendlichen im Sport arbeiten und unterstützen Partnerorganisationen. So wird Sport für Entwicklung langfristig integriert.

Gibt es Unterschiede zu anderen Ländern?

In Kenia ist Sport schon eines der wichtigsten Instrumente für Jugend- und Sozialarbeit. Mehr als 80 Organisationen arbeiten mit Sport für Entwicklung – in Großstadtslums und in ländlichen Regionen gleichermaßen. In anderen Ländern ist Sport für Entwicklung noch sehr neu als Konzept. Ich stelle mich bei neuen Partnern oft so vor: Leider können wir wenig dafür tun, dass Ihr Land Afrika-Meister wird oder olympisches Gold gewinnt; umso mehr aber dafür, dass wir möglichst vielen Kindern Zugang zu Sport und Bildung und damit Perspektiven verschaffen.

Wo gibt es noch Potenzial?

Sport hat in vielen Ländern bereits eine große wirtschaftliche Bedeutung erreicht. Hier gibt es Möglichkeiten für die internationale Zusammenarbeit und auch, um Entwicklungsziele zu erfüllen. Sport zeigt sich bei der Arbeit rund um Flucht und Flüchtlingslager als wirksames und beliebtes Instrument. Gute Vereins- und Verbandsführung sowie eine Sportpolitik, die auf Transparenz und der Förderung von Breitensport fußt, bergen weitere Potenziale für Entwicklung.


(Stand: August 2016)