Auf dem Weg zur eigenen Beraterrolle

Mehr als 80 Prozent der Stellenbeschreibungen für Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer (EH) benennen die Beratung als Hauptaufgabe. Doch was ist damit gemeint, welche Fähigkeiten müssen Mann oder Frau mitbringen? Was erwarten GIZ und Partnerorganisationen? Diese Fragen zu beantworten, bedarf einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Thema. Sie beginnt während der Vorbereitung der EH, zunächst in der zweiwöchigen Inhouse-Vorbereitung.
„Zu Ihrer Information möchte ich Ihnen einige Fragen stellen!“ - (K. Lewin)
Dieses Zitat von Lewin versinnbildlicht den Wandel in der Herangehensweise an die Beratungstätigkeit. Beratung in der Entwicklungszusammenarbeit bedeutet eine Tätigkeit in komplexen, interkulturellen Umfeldern mit einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure und Interessenslagen, die neben fachlich-methodischen Kenntnissen auch soziale Kompetenzen voraussetzt, wenn sie Wirkungen erzielen soll. Das Verständnis von Beratung im Kontext des Entwicklungsdienstes hat sich in den letzten Jahren von der Fachberatung zur Prozessberatung verändert. So soll Beratung in der Regel die Problemlösungsfähigkeiten der Partner erhöhen. Dies in einem kurzen Überblick den ausreisenden Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfern (EH) zu vermitteln, ist Teil des Thementags „Rollen und Aufgaben der Entwicklungshelfer/innen und Kollegiale Beratung“ während der zweiwöchigen Inhouse-Vorbereitung.
Der Thementag dient einer ersten Annäherung an die unterschiedlichen Beraterrollen, die die Entwicklungshelfer in ihren Partnerorganisationen einnehmen (können) und sensibilisiert sie für potenzielle Konfliktfelder und Herausforderungen.
Gegenseitige Erwartungen
In einer ersten interaktiven Lerneinheit tauschen sich EH über ihre Erwartungen an die GIZ und an ihre Kollegen/innen, an die zukünftige Partnerorganisation und an sich selbst im Kontext des Leitbilds der GIZ aus. Eine weitere Frage bezieht sich auf die vermeintlichen Erwartungen, die die Partnerorganisation und die GIZ an sie stellen. Womit wir uns zugegebenermaßen im spekulativen Umfeld bewegen, doch hilft es, sich den unterschiedlichen Erwartungen anzunähern. Schließlich benennen die EH potenzielle Konflikte und Herausforderungen, anhand derer am Nachmittag die „Kollegiale Beratung“ als Methode eingeführt und eingeübt wird.
Bei den Erwartungen, die die EH an die GIZ formulieren, dominieren in der Regel: Einbindung in die Strukturen der GIZ vor Ort, Unterstützung bei administrativen Angelegenheiten, Zeit zur Einarbeitung, Möglichkeiten zur Fortbildung und Transparenz.
Was denken Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer, welche Erwartungen die Partnerorganisationen und die GIZ an sie stellen (könnten)? Fachlichkeit, professionelles Auftreten und inhaltliche Kompetenz stehen im Vordergrund. Interkulturelle Sensibilität, rasche Einarbeitung und Akzeptanz der Strukturen erwarten ihrer Meinung nach vor allem die Partner. Manche EH gehen darüber hinaus davon aus, dass ihre Partnerorganisationen die Einwerbung von Drittmitteln und eine Vermittlerrolle zwischen Partnerorganisation und GIZ erwartet.
Und was erwarten die Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer von sich selbst? Neben guten Arbeits- und Beratungsleistungen möchten sich die Fachkräfte in die Partnerorganisation integrieren, in die Kultur einleben und sich im Verlauf ihrer Tätigkeiten weiter bilden. Ausgehend von den Arbeitsgruppenergebnissen leiten sie dann mit einem Aufstellungsspiel auf das Beratungsverständnis und die verschiedenen Beraterrollen über.
Sportliche Denkübung
Fünf Beraterrollen-Typen – Mediatorin, Trainer, Umsetzerin, Experte/Fachberater und Anwältin/Manager/Lobbyistin – liegen auf Karten auf dem Boden aus und die Teilnehmer/innen positionieren sich dort, wo sie sich laut ihrer Stellenbeschreibung am ehesten verorten. Die wenigsten EH legen sich auf eine Beraterrolle fest, sondern verrenken sich über mehrere Karten und bringen so zum Ausdruck, dass sie in unterschiedlichen (Beratungs-)Funktionen tätig sein werden. Anknüpfend an diese sportliche Denkübung erarbeiten sie gemeinsam oder in Kleingruppen die fachlichen, methodischen Fähigkeiten sowie die sozialen Kompetenzen, die ihres Erachtens zu einer erfolgreichen Beratertätigkeit beitragen. Die meisten Teilnehmer/innen nennen aus Erfahrung oder intuitiv die dafür erforderlichen wesentlichen sozialen Kompetenzen.
Die Einheit schließt in der Regel mit den Hinweisen, dass eine regelmäßige Auftrags- und Rollenklärung zwischen den beteiligten Akteuren im Vorhaben notwendig sein kann. Ebenfalls sollen die EH ihre jeweils eingenommenen Beraterrollen transparent machen, um Missverständnisse zu vermeiden.
Methode „Kollegiale Beratung“
Am Nachmittag lernen die mit der „Kollegialen Beratung“ eine Methode der gegenseitigen Unterstützung und Problemlösung kennen. Die systematische Herangehensweise bei der „Kollegialen Beratung“ mit definierten Zeitangaben führt in der Regel nach 45 bis 60 Minuten zu konstruktiven Lösungsvorschlägen bei Problemen. Sie wird bereits in vielen Landesprogrammen der GIZ genutzt.
Den Tag „Erwartungen, Beraterrollen und Beratungsverständnis“ bewerten viele Teilnehmer/innen als erfolgreich, weil sie für die besonderen Fragestellungen und Konfliktpotenziale in ihrem künftigen Arbeitsumfeld als EH sensibilisiert werden und sich Anhaltspunkte zum lösungsorientierten Umgang mit Problemen erarbeiten. Es ist ein Einstieg in die Thematik. Für eine tiefer gehende Auseinandersetzung reicht dies nicht, da an der persönlichen Haltung von Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfern während eines eintägigen Moduls kaum gearbeitet werden kann. Ein großer Bedarf besteht im Einüben von verschiedenen Fragetechniken, im aktiven Zuhören und im Bereich partizipative Beratungsmethoden. Deshalb empfehlen wir den Besuch weiterführender vertiefender Angebote im Rahmen der weiteren Vorbereitung in Deutschland in der Akademie für Internationale Zusammenarbeit in Bad Honnef (AIZ), beziehungsweise die Vertiefung des Themas während der Vorbereitung im Partnerland, wo vor allem die Besonderheiten von Beratung im jeweiligen kulturellen Kontext bearbeitet werden.
Dr. Christina Alff / Jutta Heckel
Jutta Heckel verantwortet in der GIZ die Vorbereitung von Entwicklunsghelfern.
Dr. Christina Alff hat viele Entwicklungshelfer/innen-Jahrgänge auf den Auslandseinsatz vorbereitet, insbesondere auf ihre Rolle als Berater.