"Gewinn für beide Seiten"

Voneinander lernen

Seit 1991 können sich russische Manager in Deutschland fortbilden. Aus dem anfänglichen Studium des „real existierenden Kapitalismus" wurde ein Erfolgsmodell der Wirtschaftsförderung: Inzwischen kommen Führungskräfte aus 13 osteuropäischen und asiatischen Ländern nach Deutschland - und deutsche Manager gehen nach Russland.

"Gorbatschow hat mein Leben verändert", kommentiert Alexander Shorokhoff seine Erfahrungen der 1990er Jahre. Damit ist er nicht allein: Das Ende des Kalten Krieges und das Wirken Gorbatschows hat die Lebenssituation vieler Menschen in Ost und West von Grund auf geändert. Für Shorokhoff kommt jedoch noch eine weitere Komponente hinzu: Er war 1991 einer der ersten Teilnehmer, die an den Managerfortbildungsprogrammen in Deutschland teilnehmen durften. Im Rahmen des sogenannten Kohl-Gorbatschow-Abkommens initiierte noch die damalige Carl-Duisberg-Gesellschaft 1989 in intensiver Zusammenarbeit mit der Sowjetunion ein umfangreiches Weiterbildungsprogramm für Fach- und Führungskräfte der Wirtschaft und Wirtschaftsverwaltung. Anliegen des Kohl-Gorbatschow-Abkommens war das Studium des „real existierenden Kapitalismus": Im Fokus des Programms stand die Frage, wie die soziale Marktwirtschaft funktioniert. Gorbatschow war überzeugt, dass es keine vernüntige Alternative zu dieser gebe, um die sowjetische Wirtschaft anzukurbeln - fortan sollten sich russische Führungskräfte in Deutschland fortbilden.

Beide Seiten profitieren

Die später von der GIZ fortgeführten Managerfortbildungsprogramme wurden zum Erfolgsprojekt: In den letzten zwei Jahrzehnten haben rund 20.000 russische Fach- und Führungskräfte die Fortbildungen durchlaufen, rund ein Viertel der Teilnehmer hospitierte in deutschen Unternehmen. Zwischen ihren Entsendeunternehmen und den deutschen Firmen sind neue Kontakte und Netzwerke entstanden, insbesondere unter kleinen und mittleren Unternehmen. Unter dem Motto „Fit for Partnership" richtet sich das Augenmerk der Programme hauptsächlich auf die Erweiterung von Führungs- und Managementkompetenzen sowie neue Geschäftsbeziehungen. Mit Erfolg: Die Fortbildungen haben dazu beigetragen, die Basis der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen erheblich zu erweitern. Die Programme bieten praktische Geschäftserfahrung und vermitteln Wissen und Verständnis von wirtschaftlichen Abläufen in deutschen Unternehmen. Die Teilnehmer erwerben einen Einblick in operative und organisatorische Strukturen, wirtschaftliche Interessen und Marktstrategien deutscher Unternehmen. Das unterstützt die Qualifikation der Teilnehmer für zukünftige Aufgaben, beispielsweise dabei, ihre einheimischen Firmen am deutschen sowie am EU-Markt auszurichten. Gleichzeitig verbessern Manager ihre allgemeinen Fähigkeiten, Firmen und Unternehmen zu führen. Bemerkenswert ist dabei, dass das Programm auch in der Fläche Russlands wirkt, denn es sind vor allem kleine und mittlere Unternehmen aus den russischen Regionen beteiligt und nicht aus den Wirtschaftszentren wie Moskau oder Sankt Petersburg.

Mittlerweile gibt es zahlreiche Spin-offs des ursprünglichen Projektes in Osteuropa und Asien: in Aserbaidschan, Belarus, China, Indien, Kasachstan, Kirgisistan, Moldau, der Mongolei, in Turkmenistan, der Ukraine, in Usbekistan und Vietnam. Alle diese Länder verfolgen mit dem Programm die gleichen Ziele: Kennenlernen des deutschen Marktes sowie der hiesigen Geschäftskultur, gezielte Vorbereitung auf Geschäftskontakte sowie geschäftsanbahnende Gespräche mit potenziellen Partnerunternehmen in Deutschland.

Seit 2006 können auch deutsche Führungskräfte an Fortbildungen in russischen Unternehmen teilnehmen, um sich und ihre Firma für den russischen Markt fit zu machen. Damit entwickelte sich die Managerfortbildung in Deutschland zu einem gegenseitigen Austauschprogramm, das allen beteiligten Unternehmen Zugang zum jeweils anderen Markt bietet – eine Win-win-Situation für beide Seiten.

In den Partnerländern gehören die Managerfortbildungsprogramme zu den wesentlichen Initiativen, um Modernisierungsprozesse in den Unternehmen zu fördern. „Wir konnten unseren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um über 70 Prozent steigern und neue Kunden dazugewinnen. Ohne das praxisorientierte Training in Deutschland wäre das so kaum möglich gewesen", so Irina Matskewitsch. Die promovierte Psychologin leitet zusammen mit ihrem Mann den knapp einhundert Mann zählenden Betrieb D-ARC in Kasachstan, der Bauleistungen von der Projektentwicklung bis zur Generalplanung anbietet sowie vorgefertigte Bauelemente für Niedrigenergiehäuser produziert.

Fortbildung wirkt nach

Den Praxisbezug der Fortbildungen lobt auch Igor Sinkin, der Geschäftsführer von SibTotschMasch, dem Sibirischen Zentrum für Präzisionsmaschinenbau und Konstruktion: „Durch das Managementtraining in Deutschland habe ich gelernt, die Ziele meiner Firma genauer zu formulieren. Bei strategischen Entscheidungen fällt es mir nun leichter, die richtige Wahl zu treffen. Nicht zuletzt wegen der neuen Maschinen produzieren wir jetzt zwei- bis dreimal schneller - und das zum halben Preis. So können sich jetzt auch mittelständische Unternehmen unser Know-how leisten." Durch seine internationale Ausbildung hat sich Igor Sinkin entscheidende Wettbewerbsvorteile auf dem sibirischen Markt verschafft.

Den Alumni der Managerprogramme ist bewusst, dass ihnen als Multiplikatoren auch eine gewichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung ihres Landes zukommt. Nach ihrer Rückkehr haben viele Führungskräfte in mehreren Ländern Alumniverbände gebildet, um den Erfahrungsaustausch zu fördern, sich gegenseitig bei der Anwendung der neuen Kenntnisse zu unterstützen, Möglichkeiten der wirtschaftlichen Kooperation in der Region zu erschließen und durch ein Unternehmernetzwerk internationale Kontakte auszubauen.

Autorin: Sarah Klein, Politikwissenschaftlerin und tätig im Entwicklungspolitischen Forum der GIZ.
Der Artikel erschien zuerst im GIZ-Magazin akzente, Ausgabe 02/2012.