Flucht, Ankommen, Zukunft

Millionen Menschen sind aus Venezuela geflohen, ein Großteil davon nach Kolumbien, Peru und Ecuador. Wie die GIZ Geflüchtete und Aufnahmeländer gleichermaßen stärkt.

Zwei Erwachsene und vier Kinder stehen Arm in Arm in einer Landschaft mit grünen Hügeln

Lima, Peru, 6:45 Uhr. Félix Álvarez zieht die OP-Handschuhe über. Vor zwei Jahren stand der Chirurg noch, einen Koffer voller Habseligkeiten in der Hand, an der peruanischen Grenze. Heute rettet er in einer Klinik in Lima Leben dank eines Programms der GIZ.

Die Menschen in Venezuela durchleben seit Jahren eine der schwersten politischen, wirtschaftlichen und humanitären Krisen weltweit. Gewalt, staatliche Repression, ein kollabierendes Gesundheitssystem und hohe Kriminalität drängen viele Menschen zur Flucht. Bis zu 7,9 Millionen, mehr als ein Viertel der Bevölkerung, haben das Land bereits verlassen. Aktuell stellen Venezolaner*innen die größte Gruppe von Asylsuchenden in der Europäischen Union. Doch die meisten von ihnen kommen in lateinamerikanischen Ländern an. Dort bringt die Migration die sozialen Systeme an ihre Grenzen.

Ein Arzt mit Gesichtsmaske, Haube und Stetoskop um den Hals sitzt an einem Tisch einer Frau gegenüber

Vom Straßenverkäufer zum Chirurgen: Wie Qualifikationen wieder zählen

Im Zufluchtsland neu anzufangen hat es entsprechend für viele Geflüchtete in sich. Auch für Félix Álvarez: „In Venezuela war ich Chirurg. In Peru verkaufte ich erstmal Kuchen auf der Straße“, erinnert er sich. Sein medizinischer Abschluss galt nichts. Das änderte sich erst, als die GIZ und ihre Partner ihm halfen, in Peru als Arzt anerkannt zu werden. Heute operiert er wieder und unterstützt nebenbei ehrenamtlich andere Geflüchtete, wenn sie medizinische Behandlung brauchen.  

Seit 2018 bietet die GIZ in Peru, Kolumbien und Ecuador nicht nur geflohenen Venezolaner*innen wie Félix Álvarez, sondern auch den aufnehmenden Gemeinden wichtige Unterstützung: Sie vermittelte rund 12.000 Menschen in Arbeit, half 520.000 dabei, ihren Aufenthaltsstatus zu regeln, und ermöglichte 600.000 den Zugang zu Gesundheitsversorgung. Das stärkt sowohl die Neuankömmlinge als auch die lokale Infrastruktur.
 

Umfassende, miteinander verzahnte Maßnahmen für Integration

Im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) und der Europäischen Union unterstützt die GIZ die drei Länder dabei, ihre Institutionen für die Herausforderungen der Migration zu rüsten. Am Beispiel Kolumbien zeigt sich, wie dringend dieser Wandel ist: Innerhalb weniger Jahre hat sich das klassische Auswanderungsland zu einem der wichtigsten Aufnahmeländer für Geflüchtete entwickelt. Seine Strukturen musste es rasant anpassen.

Die GIZ vernetzt hierfür Behörden, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Akteure. Gemeinsam gestalten sie die Integration nachhaltig und arbeiten daran, für künftige Krisen besser aufgestellt zu sein. Die GIZ unterstützt dabei auf vielfältige Weise: Sie fördert Kulturprojekte für mehr Zusammenhalt. Sie unterstützt Geflüchtete psychologisch bei der Bewältigung von Traumata. Und sie hilft Fachkräften wie Chirurg Félix Álvarez, ihre beruflichen Abschlüsse anerkennen zu lassen.

Der entscheidende Hebel liegt jedoch in der Wirtschaft. So hat das GIZ-Vorhaben seit 2019 mit 20 kolumbianischen Unternehmen aus verschiedenen Branchen kooperiert. Sie schaffen nicht nur Arbeitsplätze, sondern beseitigen strukturelle Barrieren. Damit ermöglichen sie Menschen mit erschwertem Marktzugang, vor allem Frauen, langfristig im Arbeitsmarkt Fuß fassen. „Es geht nicht um kurzfristige Hilfe“, betont Projektleiterin Elke Winter. „Wir entwickeln Systeme, die Geflüchtete, Unternehmen und die Gesellschaft nachhaltig zusammenbringen.“
 

Eine Peson mit weißer Schutzkleidung streckt beide Daumen in die Luft und lächelt

Tee, Vertrauen, Zukunft: Wie Unternehmen und Migranten profitieren

Davon profitieren beispielsweise Menschen in der kolumbianischen Stadt Antioquia. Dort duftet es nach Zitronenmelisse und Pfefferminze. Die Teefabrik Hiplantro stellt seit 2021 gezielt venezolanische Migrant*innen ein, dank einer Partnerschaft mit der GIZ. „Wir suchten nicht nur Arbeitskräfte, sondern Menschen, die unser Team bereichern“, sagt Geschäftsführer Gabriel Jaramillo. Die GIZ beriet das Unternehmen bei Exportstandards und schulte Führungskräfte in interkultureller Kommunikation. 16 formelle Arbeitsplätze entstanden.

Adelys Benítez bedient heute eine Verpackungsmaschine. „Hier habe ich erstmals in meinem Leben einen festen Vertrag“, sagt die Venezolanerin. Für Hiplantro sind die Neuen mehr als Arbeitskräfte: Sie bringen Resilienz und Erfahrung mit. „Ihre Geschichten inspirieren uns“, sagt Personalchefin Janine Medina.

Fähigkeiten einbringen, Chancen nutzen

Geschichten wie die von Félix Álvarez und Adelys Benítez zeigen: Migration muss nicht Last, sondern kann Motor für Entwicklung sein. Denn Geflüchtete bringen Fähigkeiten und Erfahrung mit, die sie in den Aufnahmeländern einbringen können. Die GIZ sorgt dafür, dass sie diese Chance nutzen können. Und manchmal entstehen dabei sogar Geschäftsmöglichkeiten für europäische Unternehmen: Hiplantro könnte bald europäische Supermärkte beliefern. Mit Tees, die integrierte Geflüchtete hergestellt haben.

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