Reportage

Fokus auf Kolumbiens Schatzkammer

Kolumbien ist eines der artenreichsten Länder der Welt. Die GIZ trägt zum Schutz von Ökosystemen bei – etwa der besonders wertvollen Landschaften der Hochanden. Wie hier bäuerliche Familien, künstliche Intelligenz und Liebe zur Natur zusammenkommen, zeigt ein Besuch in abgelegenen Bergen.

Text: Katharina Wojczenko Fotos: Andrés BO
Eine Frau mit breitkrempigem Hut und blauem Hemd steht inmitten dichter, ineinander verwobener Äste in einer Waldlandschaft.

Die Gummistiefel schmatzen bei jedem Schritt. Elia Marina Pabón fädelt sich unter stacheligen Zweigen durch und klettert über Äste. Die Kolumbianerin ist vorsichtig, nicht einmal ihr Strohhut verfängt sich. Bloß keine Zweige abbrechen und so wenig Spuren wie möglich hinterlassen! Die 58-jährige Bäuerin ist unterwegs im Nordosten des Landes, am Rande des Páramo de Santurbán.

Páramos sind Vegetationslandschaften der Hochanden, die auch als Hochmoore bezeichnet werden. Auf den ersten Blick sieht das Gebiet fast wie eine karge Mondlandschaft aus – in gedeckten Grün- und Brauntönen. Doch der Schein trügt: Páramos sind Hotspots der Biodiversität. Viele der Tier- und Pflanzenarten sind endemisch, also nur dort zu finden. Außerdem sind diese andinen Moorlandschaften die Wasserversorger Kolumbiens. 70 Prozent des Trinkwassers des südamerikanischen Landes entstehen hier.

Elia Marina Pabón geht in die Hocke und leuchtet in eine kleine Höhle hinein. Wasser sprudelt heraus und tropft auf den Boden, wo es zu einem Rinnsal wird. „Das ist das Trinkwasser für unsere Finca.“ Doch heute geht es nicht um das kostbare Nass. Die Bäuerin ist mit Umweltingenieurin Aura Villalobos und deren Kollegen Giovany García von der Alianza BioCuenca den Berg hochgestapft, um einen grauen Kasten samt Kamera an einem Baum anzubringen.

Die Stiftung Alianza BioCuenca bindet mit ihrem Programm miPáramo die Bevölkerung in Übergangszonen zu den Páramos ein. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt die GIZ das Programm. Bei dem Zusammenschluss von öffentlichen sowie privaten Akteuren und Wassernutzern verknüpft und berät die GIZ die Partner als verlässliches und neutrales Bindeglied. Die GIZ stärkt durch Wissensvermittlung den kolumbianischen Einsatz für den Erhalt der Biodiversität und die Wasserversorgung der lokalen Bevölkerung und Betriebe.

Hier in der Übergangszone zum Páramo de Santurbán, in den Bergen der Gemeinde Mutiscua, werden Fotofallen in Kombination mit künstlicher Intelligenz eingesetzt. Doch zunächst muss das Team einen Gurt durch die robuste Tarnfarben-Hülle der Kamera und das grauen Plastikkästchen fädeln. In diesem digitalen Gerät arbeitet künstliche Intelligenz. Das rote Licht an der Kamera leuchtet, die Batterien sind drin. Jetzt noch beides an einen Baum am Wasserlauf wickeln und darauf hoffen, dass schon bald die ersten Tiere vorbeikommen.

Eine Gruppe von Menschen versammelt sich um einen Tisch, wobei eine Frau im rosa Pullover zuschaut, während eine andere mit blauer Mütze ein kleines Gerät bedient.

Das kolumbianische Biodiversitätsforschungsinstitut Alexander von Humboldt begleitet das Projekt mit den modernen Fotofallen, die in Kolumbien erstmals eingesetzt werden. Neben der Familie von Elia Marina Pabón beteiligten sich neun weitere aus Mutiscua am Pilotversuch. Seit Ende 2023 hängen die Geräte im Hochandenwald am Páramo de Santurbán. Seither hat jede Kamera mehrere tausend Bilder geschossen.

Die Kameras motivieren uns zusätzlich, die Natur hier zu bewahren.

Elia Marina Pabón

„Wir wissen, dass hier viele wilde Tiere leben. Aber wir sehen sie sonst nicht. Die Kameras motivieren uns zusätzlich, die Natur hier zu bewahren“, sagt Elia Marina Pabón. Früher habe sie nicht geahnt, wie wichtig die Landschaften der Hochanden sind. Und wie sehr ihr Erhalt auch von der darin beheimateten Vielfalt der Arten abhängt. Dann hörte sie Vorträge von Bauern- und Umweltorganisationen, die sie tief berührten. Sie und ihr Mann meldeten sich für Schulungen zur nachhaltigen Landwirtschaft an, gaben ihr Wissen weiter. Heute sagt sie: „Wir müssen dieses Paradies behüten, für uns, unsere Kinder, unser Wasser und für die ganze Welt.“

Kolumbien ist das Land mit den meisten Páramos. Doch dieses Ökosystem, seine Artenvielfalt und CO2-Speicherkapazität sind in Gefahr: Experten befürchten, die Flächen könnten bis 2050 auf die Hälfte schrumpfen. Die Ausweitung der Landwirtschaft, Bergbau sowie erhöhte Temperaturen und veränderte Niederschläge infolge des Klimawandels setzen den Páramos zu.

Elia Marina Pabón versucht, den Páramo in der Nachbarschaft zu schützen. Von ihren 15 Hektar Land hat die Familie drei Hektar unter Schutz gestellt und den Rest bewirtschaftet sie weitgehend nachhaltig. So sollen auch die Übergangszonen besser geschützt werden. Inzwischen sind die Bäuerin und das Team von der Alianza BioCuenca aus den Bergen in die Finca auf 2.800 Metern Höhe zurückgekehrt. Die Kolumbianerin zeigt in die Ferne: Unten erstrecken sich die steilen Berghänge, über die sich in verschiedenen Grünmustern die Gemüsefelder ziehen. Oben liegt die Kuhweide. Dazwischen Wald, zum Teil mit Bäumen, die die Familie selbst angepflanzt hat. Und noch weiter oben liegt der Páramo mit seiner kargen Schönheit.

Eine Hand hält ein ausgedrucktes Foto mit zwei Schwarz-Weiß-Bildern eines Rehs im Wald, im Hintergrund unscharfe Personen.

Welche Tiere wurden im Páramo de Santurbán gesichtet?

Umweltingenieurin Aura Villalobos ist mit nach Mutiscua gekommen, um von ersten Ergebnissen der Pilotphase zu berichten. Die Erkenntnisse haben die Forscher*innen vom Humboldt-Institut überrascht: Ursprünglich war erwartet worden, dass die intelligenten Kameras vor allem Nagetiere aufnehmen würden. Doch in die Fotofallen tappten vornehmlich der gefährdete Rote Kleinmazama (eine Hirschart), Füchse, Opossums und sehr viele Vögel. Deshalb soll es in Mutiscua künftig Schulungen in Vogelkunde geben. So könnte auch nachhaltiger Tourismus für Vogelliebhaber*innen zusätzliche Einnahmen für die lokale Gemeinschaft sichern.

Fürs Erste wollen aber alle teilnehmenden Bäuerinnen und Bauern Fotos „ihrer“ Tiere haben und drängen sich um den Drucker, den Aura Villalobos mitgebracht hat. Sie alle wollen weitermachen und künftig am liebsten die Tierfotos direkt aufs eigene Handy geschickt bekommen – auch wenn der Empfang hier oben dürftig ist. Sie wollen es nicht verpassen, meinen sie augenzwinkernd, wenn vielleicht doch die „Raubkatze von Mutiscua“ in den Fokus der Fotofalle gerät.

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