Ausgangssituation
Die türkische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil des Energieverbrauchs im Verhältnis zum BIP bis 2023 um 30% zu reduzieren. Zur Erreichung dieses Ziels sind um-fangreiche Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz erforderlich. Die türkische Regierung erließ 2007 ein Energieeffizienzgesetz mit dem Ziel der Verringerung der Energieintensität durch die Förderung von Energieeffizienz-Maßnahmen. Im Fokus steht der Gebäudesektor, der neben Industrie und Transport einen hohen Endverbrauch an thermischer und elektrischer Energie aufweist.
Ein Großteil der öffentlichen Gebäude ist Jahrzehnte alt. Mit technologischen und betriebli-chen Verbesserungen lässt sich ihr Energieverbrauch signifikant senken. Während das tech-nische Einsparpotenzial einzelner Sanierungsmaßnahmen in einem Bereich von etwa 20% bis zu 80% (Strom, Wärme, Kälte) liegt, beträgt das wirtschaftliche Potenzial zur Steigerung der Effizienz i.d.R. mindestens 20%. Der durchschnittliche Energieverbrauch liegt in türkischen Gebäuden bei etwa 350 – 400 kWh/m²a, während deutsche Bestandsgebäude durchschnittlich nur rd. 160 kWh/m²a verbrauchen. Im Neubau sind in Deutschland derzeit weniger als 30 kWh/m²a Stand der Technik, wobei der Trend zum Passiv- oder Plusenergie-Haus geht. Deutlich gesunkene Kosten für Effizienzverbesserungen ermöglichen einen groß-flächigen Einsatz entsprechender Technologien in der Türkei auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
Ziel
Das Programm "Energieeffizienz in öffentlichen Gebäuden in der Türkei" unter dem Dach der Deutschen Klimatechnologie-Initiative (DKTI) leistet einen Beitrag zur Verringerung des Energieverbrauchs in öffentlichen Gebäuden sowie in der Folge zur Reduzierung von Treib-hausgasemissionen und zum globalen Klimaschutz. Es gilt die rechtlichen, technischen und administrativen Voraussetzungen als Teil der nachhaltigen wirtschaftlichen und technologi-schen Entwicklung der Türkei zu verbessern.
Das Vorhaben umfasst Investitionsmaßnahmen sowie Beratungsmaßnahmen:
Die Beratungsmaßnahmen der technischen Zusammenarbeit zielen auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen und Kapazitäten zur Steigerung der Energieeffizienz im öffentlichen Gebäudebestand der Türkei.
Ziel der durch die KFW implementierten Investitionskomponente ist die Steigerung der Ener-gieeffizienz ausgewählter öffentlicher Gebäude. Diese Komponente besteht aus einem Dar-lehen von bis zu 110 Mio. EUR zur energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude. Für Bera-tungsleistungen, die im direkten Zusammenhang mit der Investition stehen, steht ein Zu-schuss von 2 Mio. EUR als Begleitmaßnahme zur Verfügung.
Mittels energetischer Sanierung soll der Energieverbrauch entsprechend der Zielsetzung in der Türkei und in der EU um mindestens 20 % gesenkt werden. Zudem tragen die Maßnah-men zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Gebäuden bei.
Vorgehensweise
Die enge Einbindung relevanter Ministerien und Institutionen, die Einführung von technolo-giebezogenen Anreizen sowie breit angelegte Informations- und Verbreitungskampagnen von Gebäude-Effizienztechnologien sollen zu einer erhöhten Nachfrage nach Energiedienst-leistungen und effizienten Technologien in öffentlichen Gebäuden führen. Damit wird eine umweltfreundliche und ressourcenschonende Energienutzung in der Türkei gefördert und die Marktentwicklung für Energiedienstleister und Anbieter energieeffizienter Lösungen im Bau-gewerbe und im Bereich der Gebäudetechnik gestärkt. Dafür sind folgende Schritte vorgese-hen:
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die relevanten türkischen Behörden werden bei der Implementierung des bereits 2007 verabschiedeten Energieeffizienzgesetzes, der 2012 in Kraft getretenen Energieeffizienz-Strategie als auch des National Climate Change Action Plan 2011 – 2023 (NCCAP) im Hin-blick auf den öffentlichen Gebäudesektor unterstützt. Hierzu gehören beispielsweise die Identifizierung und Ausarbeitung notwendiger Durchführungsverordnungen, Verwaltungsvor-schriften und Standards (angelehnt an EU-Standards).
Nationale Energieeffizienz Datenbank
Zuständige Stellen werden in Bezug auf eine systematische Zusammenstellung von relevan-ten Gebäudedaten (Energieverbräuche und -ströme, Nutzungsarten Treibhausgasausstoß etc.) beraten, um die interministerielle Datenerhebung besser zu strukturieren. Gemeinsam mit den türkischen Partnerministerien wird das konkrete Vorgehen für die Umsetzung des türkischen Building Codes und der Energieeffizienz-Strategie in öffentlichen Gebäuden unter Berücksichtigung des bestehenden gesetzlichen Rahmens entwickelt bzw. optimiert.
Aufbau von Kapazitäten
Maßnahmen zur Schaffung fachlicher Kapazitäten auf der Ebene der Bauplanung, Bauaus-führung und Bauaufsicht sowohl im öffentlichen als auch im privaten Gebäudesektor ergän-zen die Aktivitäten im Bereich rechtliche Rahmenbedingungen.
Aus- und Fortbildungsprogramme für Energieauditoren, Energieberater und Handwerker im Gebäudebereich sollen gemeinsam mit lokalen Partnern entwickelt und durchgeführt werden.
Die Förderung der deutsch-türkischen Hochschulkooperation bzw. der Kooperation zwischen Firmen und Fachinstitutionen aus beiden Ländern ist ein weiterer Schwerpunkt im Bereich des Kapazitätsaufbaus. In diesem Zusammenhang werden besonders effiziente öffentliche Gebäude in Deutschland besucht und gemeinsame Forschungsprojekte von deutschen und türkischen Forschungs- bzw. Fachinstitutionen angeregt.
Informations- und Bewusstseinsbildung
Zur Verbesserung der Energieeffizienz sind Bewusstseinsbildungsprogramme mit Medien, in Schulveranstaltungen, „Energiespar-Wochen", Wettbewerbe etc. vorgesehen. Begleitende öffentlichkeitswirksame Sensibilisierungs- und Informationskampagnen auf nationaler Ebene steigern den Kenntnisstand zu den Vorteilen energieeffizienten Handelns bei öffentlichen und politischen Entscheidungsträgern auf nationaler und kommunaler Ebene, wodurch ins-besondere Betreiber öffentlicher Gebäude profitieren.
Energiedienstleistungsmarkt
Zur Implementierung von Energieeffizienz-Maßnahmen soll der türkische Energiedienstleis-tungsmarkt deutlich gestärkt werden. Hierzu werden Mitarbeiter von Energie- Dienstleis-tungsanbietern (Energy Service Companies, ESCos) zu fachspezifischen Inhalten für die Projektentwicklung (dynamische Wirtschaftlichkeitsberechnung, Kalkulation von Projekt- und Transaktionskosten, Vertragsgestaltung etc.) weitergebildet. Sogenannte Fazilitatoren für Energiesparcontracting-Projekte sollen im Markt etabliert und dahingehend ausgebildet wer-den, dass diese Projekte mittels öffentlicher Ausschreibungen dem freien Markt übergeben können.
Technologiekooperationen & Demonstration
Im Rahmen des Vorhabens werden an 1 bis max. 2 Schulungsgebäuden konkrete Technolo-gien, Praktiken und Geschäftsmodelle demonstriert, um insbesondere die Kapazitäten von Durchführungspartnern bzw. Multiplikatoren zu stärken.
Eines dieser Gebäude soll als Informationszentrum bzw. Modell- und Schulungsgebäude genutzt werden. Die Sichtbarkeit eines ersten Demonstrationsgebäudes erhöht das Ver-ständnis von Entscheidungsträgern für die Notwendigkeit sowie die Vorteile von Energieeffi-zienz-Maßnahmen in öffentlichen Gebäuden.
Wirkung – Was bisher erreicht wurde
Die bereits erfolgten Maßnahmen umfassen die ganze Breite des angebotenen Spektrums an Aktivitäten und sind wegweisend für die Entwicklung des Vorhabens.
In Kollaboration mit einer ansässigen Universität (Middle East Technical University) wurde in Abstimmung mit der Partnerinstitution (Ministerium für Umwelt und Stadtentwicklung, MoEU) eine Methodologie für eine nationale Energieeffizienz-Datenbank für bestehende öffentliche Gebäude erarbeitet und befindet sich aktuell in der Testphase. Bei der Entwicklung der Da-tenbank wurden Indikatoren zur Erfassung der Energie-Performance des Gebäudes imple-mentiert, die konform mit vergleichbaren EU-Datenbanken sind. Im Fokus stand ebenfalls die Benutzerfreundlichkeit des webbasierten Eingabetools, dass von verschiedensten Anwendern landesweit genutzt werden soll.
Der Novellierung des bestehenden Energieeffizienz-Gesetzes und der Etablierung weiterer Standards in Anlehnung an bestehende EU-Direktiven erfordern einige Vorbereitungen: die Analyse der bestehenden Gesetze und Regularien war der erste Schritt, bei dem Stärken und Schwächen aufgezeigt wurden. Im nächsten Schritt werden Empfehlungen zu Anpassungen gegeben.
Um einen Überblick über die Marktsituation und hier insbesondere über den Bausektor zu erhalten, wurde eine Marktstudie erarbeitet, deren Ergebnisse Aufschlüsse über Potenziale für mögliche Technologie-Kooperationen (z.B. in der Dämmstoffindustrie) zwischen Deutsch-land, der EU und der Türkei aufzeigen.
Im Bereich Human Capacity Development wurde eine Studienreise mit Teilnehmern des MoEU durchgeführt, um die Teilnehmer mit dem in Deutschland üblichen Prozess der Bau-genehmigung und der dezentralen Regionalplanung vertraut zu machen. Weiterer Studien-schwerpunkt der Reise waren die aktuellen Standards des energieeffizienten Bauens, die Arbeit von unabhängigen Energie-Agenturen sowie dem Energieeinspar-Contracting. Weitere Studienreisen für verschiedene Zielgruppen sind im Jahr 2015 und kontinuierlich über die gesamte Laufzeit geplant. Ende Februar 2015 wurde es eine große Fortbildungsveranstaltung in Ankara mit ca. 200 Teilnehmern zum Thema energieeffiziente Bauplanung realisiert.