2017.9109.4

SIF IQ Vergangenheitsbewältigung als Grundlage für den Neuaufbau im Irak

Auftraggeber
EM-Dummy
Land
Irak
Dauer
Partner
Kein politischer Träger

Ausgangssituation:

Der Feldzug des "Islamischen Staates" (IS) im Irak hat zum Tod von Zehntausenden Menschen geführt und mehr als drei Millionen zu Binnenvertriebenen und Flüchtlingen gemacht. Weite Teile des Nordirak liegen in Trümmern. Viele Überlebende und Angehörige von Opfern sind schwer traumatisiert. Die Kommission der Vereinten Nationen für den Irak (UNITAD) hat damit begonnen, die schweren Verbrechen zu untersuchen, die der IS an Jesid*innen, aber auch an Angehörigen von anderen ethnisch-religiösen Gruppen begangen hat.

Obwohl der IS zerschlagen wurde, ist er als Organisation weiter aktiv und begeht aus dem Untergrund heraus terroristische Anschläge. Die irakische Regierung reagiert mit Massenverhaftungen und Anti-Terrorismus-Verfahren. Kein einziger ehemaliger IS-Angehöriger wurde im Irak wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit geschweige denn Völkermord angeklagt. In großen Untersuchungsgefängnissen, deren Haftbedingungen von „Human Rights Watch" als inhuman bezeichnet wurden, sind auch mehr als 4.000 ehemalige IS-Kindersoldaten inhaftiert, dazu Tausende Frauen von IS-Angehörigen mit ihren Kindern. Zehntausende Familien, die der IS-Zugehörigkeit verdächtigt werden, sitzen als Binnenvertriebene (Internally Displaced Persons, IDP) in Camps fest. Es besteht die Gefahr, dass diese Menschen – teilweise erneut – radikalisiert werden.

Weiterhin gibt es im Norden des Irak große Spannungen zwischen den schiitischen Milizen, die mit der irakischen Armee verbündet sind, und der sunnitisch-arabischen Bevölkerung. Auch Konflikte zwischen der irakischen Zentralregierung und der Kurdischen Regionalregierung um Land und Zugang zu Ressourcen wie Öl und Wasser sind nicht gelöst. Das Vertrauen von Minderheiten in den Staat und zwischen den ethnisch-religiösen Gruppen ist zutiefst beschädigt. Mit der derzeitigen Auseinandersetzung zwischen den USA und dem benachbarten Iran kommt der Irak weiterhin nicht zur Ruhe.

Als Folge davon wollen die meisten der Binnenvertriebenen noch nicht in ihre Heimatorte zurückkehren. Weite Teile der irakischen Jugend haben die Hoffnung auf Frieden, demokratische Teilhabe und Wohlstand verloren und sind frustriert und verzweifelt. Irakische Frauen werden in soziale, wirtschaftliche und politische Nebenrollen zurückgedrängt.

Ziel:

Überlebende Opfer der IS-Verbrechen erhalten angemessene psychosoziale Begleitung. Ehemalige IS-Kindersoldaten und Kinder von IS-Angehörigen werden rehabilitiert und sozial wieder eingebunden. Junge Männer und Frauen aus verschiedenen ethnisch-religiösen Gruppen tragen zu einer friedlichen und demokratischen Entwicklung des Irak bei und entwickeln eine gemeinsame Identität als irakische Bürgerinnen und Bürger.

Vorgehensweise:

Der Zivile Friedensdienst (ZFD) unterstützt und berät staatliche und zivilgesellschaftliche Organisationen im Irak, die sich für eine Aufarbeitung der IS-Verbrechen sowie für eine friedliche und demokratische Entwicklung einsetzen. Er tut dies hauptsächlich durch die Entsendung von internationalen Fachkräften, durch die finanzielle Bezuschussung von Aktivitäten und die Herstellung von Synergien mit anderen Programmen der deutschen Zusammenarbeit im Irak. Dies sind die wichtigsten Beispiele für die Aktivitäten des ZFD:

• Die Kommission für Ermittlungen und Beweisaufnahme (Commission for Investigation and Gathering Evidence, CIGE) in Dohuk (Kurdistan, Region Irak) wird bei ihrer Dokumentation von IS-Verbrechen, einer verbesserten Qualität der Information für Überlebende und Angehörige von Opfern sowie bei ihrer Zusammenarbeit mit der entsprechenden Kommission der Vereinten Nationen begleitet.

• Die jesidische Nichtregierungsorganisation YAZDA sowie zivilgesellschaftliche Gruppen anderer Religionen und Minderheiten geben Überlebenden und Angehörigen von Opfern des IS Beistand bei ihrer Suche nach Gerechtigkeit.

• Die „Jiyan Foundation for Human Rights" baut eine zivilgesellschaftliche „Koalition für gerechte Reparationen" auf und unterstützt entsprechende Bemühungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) im Irak.

• Das Institut für Psychotherapie und Psychotraumatologie, das einen Master-Studium anbietet, wird darin unterstützt, sich mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Gruppen zu vernetzen, die psychosoziale Dienstleistungen für traumatisierte Binnenvertriebene erbringen.

• Die Jugendstrafvollzugsanstalt in Dohuk hat einer internationalen und einer nationalen Fachkraft des ZFD Zugang gegeben, um ehemalige IS-Kindersoldaten sunnitisch-arabischer Herkunft in Fußball und Lebenskompetenzen, in sozialen Fähigkeiten oder im persönlichen Engagement zu trainieren. Die beiden Fachkräfte arbeiten zudem mit dem Partner „Better World Organization" in einem IDP-Camp bei Dohuk mit Familien, die zeitweise mit dem IS in Verbindung standen.

• Die „Iraqi Law Firm" setzt sich zusammen mit Schlüsselpersonen aus Regierung und Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtsprechung für eine gesellschaftliche Rehabilitation ehemaliger IS- Kindersoldaten ein.

• Eine Friedensfachkraft trainiert Jugendliche aus der Kleinstadt Alqosh sowie eine religiös diverse Gruppe von Jugendlichen aus Süleymaniah im Süden Kurdistans als Guides für Friedenstourismus.

Wirkungen:

Der ZFD hat verschiedene Akteure der irakischen Regierung und Zivilgesellschaft beraten, die Überlebende der IS-Verbrechen bei ihrer Suche nach Gerechtigkeit unterstützen:

• Die CIGE in Dohuk hat mehr als 2.500 Anzeigen und Zeugenaussagen von Überlebenden des IS und Angehörigen vermisster Personen aufgenommen. Sie hat bereits mehr als 1.400 Blutproben von Angehörigen vermisster Personen an UNITAD übergeben.

• Die jesidische Nichtregierungsorganisation YAZDA hat dazu beigetragen, heimlich nach Europa zurückgekehrte IS-Kämpfer zu identifizieren und vor Gericht zu bringen.

• Mit zwei internationalen Konferenzen das hat Institut für Psychotherapie und Psychotraumatologie dazu beigetragen, Themen wie Traumatisierung der Überlebenden in der Gesellschaft und bei politischen Entscheidungsträger*innen bekannter zu machen.

• Irakische Richter*innen wenden in Verfahren gegen ehemalige Kindersoldaten nach dem Anti-Terrorismus-Gesetz vermehrt das Jugendstrafgesetz an, was zu milderen Strafen führt. Eine Reform beider Gesetze wird im irakischen Parlament diskutiert.

• Ein mangelhafter Gesetzesentwurf für die Anerkennung der durch den IS sexuell versklavten jesidischen Frauen wird unter Einbeziehung von Betroffenen und internationalen Expert*innen überarbeitet.

• Fast alle ehemaligen IS-Kindersoldaten in der Jugendstrafanstalt in Dohuk wurden entlassen, wozu die Rehabilitationsaktivitäten des ZFD zumindest beigetragen haben. Auch gewöhnliche kurdische jugendliche Straftäter haben davon profitiert. 
Weitere Projektinformationen

CRS-Schlüssel
15220

Kombifinanzierung
  • Engagement Global GmbH (5 Mio. €)
Entwicklungspolitische Kennungen

Signifikantes Nebenziel:

  • Gleichberechtigung der Geschlechter

Zuständige Organisationseinheit
G220 Frieden und Sicherheit

Nachfolger-Projekt
2021.9104.7

Auftragsvolumen (aktuelles Projekt)
5.625.925 €

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