Stärkung psychosozialer Unterstützungsstrukturen für palästinensische Flüchtlinge

Projektkurzbeschreibung

Bezeichnung: Stärkung psychosozialer Unterstützungsstrukturen für palästinensische Flüchtlinge (PSSP)
Auftraggeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
Land: Gaza, Jordanien, Libanon, Syrien
Politischer Träger: Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA)
Gesamtlaufzeit: 2013 bis 2017

Ausgangssituation

Palästinensische Flüchtlingsgemeinschaften sind andauernd unterschiedlichen Formen von Gewalt ausgesetzt. Bewohner von Flüchtlingslagern leben in sehr belastenden und chronisch traumatisierenden Kontexten, geprägt von Unsicherheit, Perspektivlosigkeit und Abhängigkeit. Psychiatrische und psychotherapeutische Betreuungsangebote sind nur sehr begrenzt verfügbar; sichere Räume für eine effektive psychosoziale Arbeit existieren kaum.

Viele Flüchtlinge leiden unter psychosozialen Belastungen und brauchen Unterstützung im Alltag zur Bewältigung der Symptome. Psychosoziale Unterstützung muss die Selbstbestimmung über die persönlichen Lebensumstände, das heißt Empowerment-Prozesse, in der Familie, aber auch innerhalb der Gemeinde ermöglichen. Sie muss ferner lokale Strukturen, vorhandene positive Bewältigungsstrategien, individuelle und kollektive Stärken sowie kulturelle Ressourcen berücksichtigen.

Auch Menschen, die in solchen vielschichtigen, unsicheren Kontexten arbeiten, benötigen Unterstützung. Dies gilt besonders dann, wenn sie unter den gleichen Bedingungen leben, wie die Menschen, denen sie Hilfe anbieten: Die meisten Fachkräfte, die psychosoziale Unterstützung in den Flüchtlingslagern leisten, sind selbst palästinensische Flüchtlinge.

Ziel

Psychosoziale Unterstützungsstrukturen innerhalb des Hilfswerks der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) und der Zivilgesellschaft sind verbessert. Mitarbeiter des UN-Hilfswerks und von Nichtregierungsorgansationen haben neue Handlungsmöglichkeiten bei der psychosozialen Unterstützung palästinensischer Flüchtlinge.

Vorgehensweise

Die GIZ kooperiert sowohl mit dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) als auch mit zivilgesellschaftlichen Organisationen. Die Zentrale der UNRWA wird dabei unterstützt, einen die gesamte Organisation umfassenden, strategischen Referenzrahmen für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung (Mental Health und Psychosocial Support, MHPSS) zu entwickeln und in ihren Kernprogrammen Gesundheit, Bildung und Soziales zu verankern.

Das Vorhaben stärkt individuelle Leistungsfähigkeit und nachhaltige Strukturen. Fachkräfte können so psychosoziale Unterstützung effektiv und effizient anbieten. Professionalisierung wird mit der Entwicklung eines kollegialen Unterstützungssystems verknüpft. Dadurch können psychosoziale Maßnahmen besser an den Bedarfen der Flüchtlinge ausgerichtet und Selbsthilferessourcen gestärkt werden.

Im Libanon und in Jordanien werden MHPSS-Dienstleistungen des UN-Hilfswerks durch Trainings sowie Coaching und Beratung on the Job weiterentwickelt und verbessert. Dies beinhaltet die Institutionalisierung von ressourcenorientierter psychosozialer Arbeit sowie standardisierten Vorgehensweisen nach dem PAIR-Ansatz (prevention, assessment, intervention and referral): Angeboten werden unterschiedliche Arten präventiver Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsdienstleistungen (prevention). Hintergrundinformationen über die relevanten Lebensumstände der betroffenen Personen werden in einer Mischung aus Anamnese und Sozialdiagnose erhoben und analysiert (assessment). Standardisiert sind die psychosozialen Dienstleistungen der Berufsgruppen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsbereich (intervention) sowie die Überweisungsstruktur innerhalb der Kernprogramme der UNRWA sowie zu externen Dienstleistern (referral).

Der PAIR-Ansatz führt außerdem einen Paradigmenwechsel herbei: Alle MHPSS-Maßnahmen basieren auf einer systemischen, stärkenorientierten Grundhaltung. Sie stellt individuelle Fähigkeiten, Interessen und Unterstützungssysteme in den Mittelpunkt jeder Maßnahme.

Zusätzlich wird ein Weiterbildungsprogramm für lokale Fachkräfte zivilgesellschaftlicher Organisationen in den Flüchtlingslagern im Libanon durchgeführt.

In Syrien versucht UNRWA unter schwersten Rahmenbedingungen eine Minimalversorgung aufrechtzuerhalten. Der Bedarf an psychosozialer Unterstützung, auch beim Personal, ist sehr hoch. Durch Trainings und begleitende Maßnahmen sollen psychosoziale Faktoren in den UNRWA-Sammelunterkünften für intern Vertriebene und in der Gesundheitsversorgung stärker berücksichtigt werden. Vor allem der Umgang mit Angst, Trauma und Trauer steht im Mittelpunkt. Die UNRWA-Mitarbeiter aus Syrien werden zusätzlich zum Training psychologisch begleitet und bei der Entwicklung eines kollegialen Supervisionssystems unterstützt.

In Gaza werden psychosoziale Unterstützungsmaßnahmen vorwiegend innerhalb des Nothilfeprogramms der UNRWA durchgeführt. Um die Nachhaltigkeit der Dienstleistungen zu gewährleisten, unterstützt das Vorhaben das Hilfswerk in Gaza bei der weiteren Institutionalisierung psychosozialer Unterstützungsstrukturen in seinen Kernprogrammen Gesundheit, Bildung und Soziales.

Wirkung

Im Libanon wurden 190 UNRWA-Mitarbeiter, Pflegepersonal, Sozialarbeiter und psychosoziale Berater an Schulen, in einem 2-jährigen Fortbildungs- und Multiplikationsprogramm qualifiziert. Mithilfe des PAIR-Ansatzes können nun eine halbe Million registrierte palästinensische Flüchtlinge ressourcenorientierte, psychosoziale Unterstützung erhalten.

Das qualifizierte Personal hat eine zentrale Funktion in der neu entwickelten psychosozialen Unterstützungsstruktur in den UNRWA-Kernprogrammen Bildung, Gesundheit und Soziales. In einem institutionalisierten System zur kollegialen Beratung bieten geschulte Mitarbeiter alle zwei Wochen kollegiale Supervision an. Bisher wurden 800 solcher Supervisionsgruppen zur Selbstreflexion und kollegialen Unterstützung durchgeführt. Sie verbessern die Professionalität, beugen Burn-out vor, stärken die Selbstwirksamkeit und verbessern die Zusammenarbeit im Team.

UNRWA wurde dabei unterstützt, parallel zu den Trainings nachhaltige Strukturen für psychosoziale Unterstützung und ein Überweisungssystem aufzubauen. Diese Basisstrukturen sind die Voraussetzung für eine professionelle psychosoziale Unterstützung und das Fundament für psychosoziale Interventionen in Not- und Krisensituationen.

90 Mitarbeiter von 50 zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in den palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon psychosoziale Unterstützung anbieten, wurden 10 Monate lang intensiv im PAIR-Ansatz und für kollegiale Beratung in ihren jeweiligen Organisationen qualifiziert. Dies verbessert die Qualität der psychosozialen Dienstleistungen und stärkt die Kooperation und die Überweisungsstrukturen zwischen den Organisationen.

In der UNRWA-Zentrale wurde für die gesamte Organisation ein strategisches Konzept mit Standards für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung entwickelt sowie ein Konzept für psychosoziale Unterstützung an UNRWA-Schulen. Die verbesserten psychosozialen Dienstleistungen können 5 Millionen registrierte palästinensische Flüchtlingen in Libanon, Jordanien, Syrien, Gaza und im Westjordanland in Anspruch nehmen.