Lukrativer Klimaschutz

Brasiliens Solarbranche boomt: Weltweit gingen im vergangenen Jahr nur in drei Ländern noch mehr Solaranlagen ans Netz. Eine Entwicklung, die vor 15 Jahren undenkbar schien.

Zwei Menschen stehen neben PV-Paneelen auf dem Dach des Fußballstadions Maracanã in Brasilien.

Als Johannes Kissel seine Arbeit als Berater für erneuerbare Energie bei der GIZ in Brasilien aufnahm, konnten sich landesweit gerade einmal 250 Haushalte mit Sonnenenergie versorgen. Das war 2009. Solarstrom fehlte in Brasilien die wirtschaftliche Grundlage. Dabei ist die Sonneneinstrahlung dort weitaus höher als in Deutschland. Heute profitieren rund 6,7 Millionen Haushalte von ihr. Mit ausgelöst hat den Wandel ein Projekt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), entscheidend war ein Fußballstadion. 

Das Besondere an Lateinamerikas erstem Solarstadion Pituaçu in Salvador de Bahia, der drittgrößten Stadt im Land, war die Ausnahmegenehmigung der Regulierungsbehörde. Sie machte die Stromerzeugung mit den Photovoltaikanlagen auf dem Dach möglich. Im Rahmen dieses Pilotprojekts aus dem Jahr 2012 durften die Betreiber erstmals überschüssigen Strom ins Netz einspeisen und mit dem Stadionverbrauch verrechnen. Die GIZ unterstützte den Testfall. „Das wurde zur Blaupause“, erinnert sich Kissel. Austragungsorte der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 mit ihren großen Arenen folgten dem Beispiel – zunächst noch mit finanzieller Unterstützung aus Deutschland über die Entwicklungsbank KfW, später eigenfinanziert von örtlichen Energieversorgern. Dann kamen die Privatnutzer.  

Drei Personen mit Helmen installieren Solarmodule

55 Millionen Tonnen CO2 eingespart 

Kissel erklärt: „Die Erlaubnis einzuspeisen ist essenziell. Regulierung ist Basis für eine Marktentwicklung. Ohne sie bleibt Solarenergie auch in Ländern mit optimalen Voraussetzungen eine Nische.“ In Brasilien bedeutete dies, den Anschluss ans Stromnetz für Privathaushalte und Gewerbetreibende finanziell lohnend zu gestalten und vor allem: so einfach wie möglich. Deshalb beriet die GIZ die brasilianische Regulierungsbehörde ANEEL bei der Norm, die den Netzzugang nach dem Beispiel des Pilotstadions ab 2012 für alle öffnete. Betreiber erhalten keine Einspeisevergütung wie zum Beispiel in Deutschland. Stattdessen schreibt der Energieversorger den erzeugten Strom zum jeweils gültigen Verbrauchstarif gut und verrechnet ihn mit der bezogenen Energie. Ein Beispiel: Das am Tag produzierte Guthaben kann nachts für den Stromkauf genutzt werden. Zu zahlen bleibt dann meist nur noch eine Art Grundgebühr. Das vermeidet Bürokratie und eine extra Vermarktung des erzeugten Stroms.  

Mit Einführung der Norm war die Arbeit aber nicht getan. Auf Basis der Erfahrungen in den ersten Jahren berieten Kissel und seine Kolleginnen und Kollegen die Behörde bis 2016: Sie vereinfachte die Regulierung, baute Bürokratiehürden ab, beschleunigten Entscheidungsprozesse und weiteten Leistungsgrenzen der Anlagen aus. 2023 wurde aus der Regulierungsnorm dann ein Gesetz. Heute erzeugen 3,8 Millionen dezentrale Kleinanlagen, davon etwa die Hälfte auf Privathäusern, 42,8 Gigawatt Strom und damit etwa 17 Prozent des brasilianischen Bedarfs. Das entspricht etwa der vierfachen Leistung des gigantischen Staudamms Belo Monte im Amazonas und ist ein Gewinn über die Landesgrenzen hinaus: Allein seit Anfang 2023 hat Brasilien mit Solarstrom fast 55 Millionen Tonnen Co2-Äquivalente eingespart. Das entspricht dem Jahresverbrauch von mehr als fünf Millionen Deutschen. 

Markt auch für deutsche Unternehmen 

Aus der Nische ist ein großer Wirtschaftszweig geworden. Seit dem Startschuss mit der Regulierung im Jahr 2012 wurden knapp 44 Milliarden Euro in den brasilianischen Solarsektor investiert. Betrachtet man die Unterstützung der GIZ im Auftrag des BMZ als Anschub, hat jeder deutsche Steuereuro mehr als 2.600 Euro brasilianischer Privatinvestitionen ausgelöst. Davon profitieren auch deutsche Unternehmen, die auf dem Markt aktiv sind wie Siemens Energy, BayWa r.e. oder SMA. Zuletzt gingen der brasilianische Solarenergieverband ABSOLAR und der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) eine Partnerschaft ein, um die Potenziale für beide Länder und für den Klimaschutz zu nutzen. Auch die GIZ fördert den Austausch im Rahmen der deutsch-brasilianischen Energiepartnerschaft im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) weiter. 

Verwandte Aufträge

Algerien, Brasilien, China, Indien, Marokko, Mexiko, Südafrika, Tunesien

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