23.11.2021
Interview: „Digitale Technologien zum Nutzen der gesamten Gesellschaft.“
Die Digitalisierung stellt die internationale Zusammenarbeit vor komplexe Aufgaben. Dirk Aßmann, Leiter Fach- und Methodenbereich der GIZ, spricht im Interview über Herausforderungen, Chancen und Lösungen.
Ob schlechte Infrastruktur, mangelnde Fähigkeiten oder fehlende IT-Sicherheit: Auch für die internationale Zusammenarbeit birgt die Digitalisierung viele Herausforderungen und zugleich zahlreiche Chancen. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH nutzt dies im Unternehmen und weltweit in ihren Projekten, um die Lebensbedingungen von Menschen zu verbessern und damit langfristige Entwicklung zu fördern. Sie setzt auf digitale Technologien, um die Bedürfnisse der Menschen stärker in den Mittelpunkt zu stellen, gestaltet politische Rahmenbedingungen mit und fördert den verantwortungsvollen Umgang mit Daten.
Herr Aßmann, „digitale Transformation“ ist ein abstrakter Begriff und ein weites Feld. Können Sie uns sagen, welche Rolle sie in der internationalen Zusammenarbeit spielt?
Absolut, die digitale Transformation versteht man heute als einen auf Technologien begründeten, fortlaufenden Veränderungsprozess, der sich auf die gesamte Gesellschaft auswirkt. Während in den ersten Jahrzehnten der Internetnutzung die Potenziale für eine offene, demokratische Welt im Vordergrund standen, beobachten wir heute staatliche Überwachung, Falschnachrichten („Fake News“) und Hassreden. Die Potenziale digitaler Technologien sind also weiterhin immens – und sie können missbraucht werden.
All‘ das macht vor der Entwicklungszusammenarbeit natürlich nicht halt. Unsere Partner wollen und müssen Teil der digitalen Transformation sein. Viele Länder engagieren sich bereits stark. Sie stehen jedoch vor der Herausforderung, in dem hoch kompetitiven, internationalen digitalen Umfeld ihren Weg zu finden und somit auch Technologie-Entscheidungen zu treffen, um nicht abgehängt zu werden. Hier sehe ich uns in einer ganz wichtigen Rolle: nämlich unsere Partner zu befähigen, entscheiden zu können, welchen Weg des digitalen Wandels sie selbst gehen wollen.
Und wie geht die GIZ in ihrer täglichen Arbeit damit um?
Glücklicherweise haben wir bereits 2015 einen strategischen Rahmen für den digitalen Wandel formuliert. Gemäß dem „digital by default“- Ansatz gehen wir bei jeder Projektprüfung grundsätzlich davon aus, dass es digitale Ansätze gibt, die zum Erfolg beitragen können. Essenziell ist dabei: Die Lösungen müssen sich an den Bedarfen der Menschen ausrichten („principals for digital development“). Wenn sie dies nicht tun, dann ist die digitale Lösung auch keine gute. So haben wir mittlerweile hunderte von Projekten im Auftrag der Bundesregierung umgesetzt, die die digitalen Möglichkeiten intensiv nutzen: angefangen vom Umgang mit Falschnachrichten über den Aufbau von 32 afrikanischen Digitalzentren bis hin zur Nutzung von Blockchain oder Künstlicher Intelligenz.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, um die Chancen der Digitalisierung in Wert zu setzen, sind Daten. Was genau leistet die GIZ hier, um den Menschen zu helfen?
Daten werden häufig als das Öl des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Daten, richtig gesammelt, sicher verwahrt und klug analysiert, können einen erheblichen Mehrwert bringen – dies gilt für Entwicklungs- und Industrieländer gleichermaßen. Doch gerade in Entwicklungsländern fehlt oftmals der Zugang zu Daten oder auch das Wissen, wie man Rahmenbedingungen so schafft, dass vorhandene Daten einen Mehrwert für die Gesellschaft generieren.
Ein Beispiel sind anonymisierte Bewegungsdaten von Menschen. So haben wir Daten von Fahrdiensten unter anderem in Bangkok nutzen können, um Bewegungsmuster in der thailändischen Hauptstadt besser zu verstehen. Die Erkenntnisse dienen jetzt dem thailändischen Transport und Verkehrsbüro zur Verkehrsplanung. So lassen sich Verkehrsströme besser lenken, so dass weniger Emissionen entstehen und die Leute schneller ans Ziel kommen. Viel Potenzial liegt auch in der Nutzung von Satellitendaten, zu denen unsere Partnerländer oft keinen guten Zugang haben. Daten des europäischen Erdbeobachtungsprogramms „Copernicus“ wurden beispielsweise genutzt, um die Bodenabsenkung im Mekong-Delta in Vietnam zu ermitteln. Damit wird die Planung von Abwassersystemen in Städten des Deltas deutlich verbessert.
Sie setzten sich also weltweit mit Partnern dafür ein, die digitale Transformation gerecht und verantwortungsvoll zu gestalten. Wie geht die GIZ als Unternehmen mit den bekannten Herausforderungen und Chancen um?
Die Nutzung digitaler Möglichkeiten in unseren Projekten geht nicht ohne ein festes Fundament. Hier investiert die GIZ seit Jahren massiv. Die technologische Basis wird komplett neu aufgestellt, Prozesse werden sukzessive digitalisiert, ein Datenschutz- und IT-Sicherheitsmanagement eingezogen.
Als Dienstleister für internationale Zusammenarbeit ist die digitale Fitness („digital literacy“) aller Mitarbeiter*innen für uns natürlich essenziell. Daher investieren wir fortlaufend in die Kompetenzen unserer Beschäftigten, damit sie für den ständigen Wandel gewappnet sind und diesen mitgestalten können. Zudem verstärken wir uns seit Jahren mit Spezialist*innen aus der digitalen und der IT-Szene, die viel entscheidendes Know-how mitbringen. Und schließlich spielen technologische Partnerschaften zunehmend eine wichtige Rolle. Damit sind wir wieder am Anfang: die digitale Transformation ist ein umfassender Veränderungsprozess – das gilt für Gesellschaften ebenso wie für die GIZ als Unternehmen.