Hintergrund

„Die Natur interessiert sich nicht für Geopolitik“

Biodiversität ist für unsere Zukunft entscheidend und sollte nicht von der internationalen Agenda fallen. GIZ-Biodiversitätsexpertin Silke Spohn erklärt, wie es um die Artenvielfalt steht.

In einem dichten, von Sonnenlicht durchfluteten Blätterdach ist eine gut getarnte Schlange mit hervorschauendem Kopf auf einem Ast versteckt.

Die politische Weltkarte ändert sich – und mit ihr die Prioritäten. Geopolitische Aspekte und Wirtschaftsfragen beherrschen derzeit die internationale Debatte. „Das ist in Ordnung und wichtig“, sagt Silke Spohn, Leiterin des GIZ-Sektorvorhabens Biodiversität-Umwelt-Meere. „Aber Biodiversität darf nicht vergessen werden. Denn die Natur interessiert sich nicht für Geopolitik.“

Tatsächlich gehen das Artensterben und der Verlust von Ökosystemen unvermindert weiter: Die Korallen bleichen in bisher ungekanntem Maße aus; Wälder vertrocknen; Wildtierbestände nehmen dramatisch ab; Pilzarten gehen verloren; Fisch- und Vogelbestände schwinden. Der Mensch greife in „beispielloser“ Weise in die biologische Vielfalt ein, hieß es erst vor kurzem in einer Metastudie der Universität Zürich, die fast 100.000 Standorte auf allen Kontinenten berücksichtigt hat.

Mit den USA fällt ein entscheidender Finanzier weg

Zur neuen weltpolitischen Realität gehört auch, dass die USA unter Präsident Donald Trump die Entwicklungsorganisation USAID faktisch aufgelöst haben und die amerikanischen Gelder für Biodiversität entfallen werden. Bisher zählten die Vereinigten Staaten zu den größten Gebern für den Naturschutz in Entwicklungsländern. Dort ist häufig reiche Biodiversität zu finden, etwa in den tropischen Wäldern des Kongos, der Anden oder am Südhang des Himalayas. Gleichzeitig bleibt für den Schutz dieser wichtigen Ökosysteme meist wenig Geld in staatlichen Budgets übrig. Deshalb sind internationale Mittel besonders wichtig. Vor diesem Hintergrund ist der Wegfall der USA als Finanzier ein echtes Problem. Und noch ist völlig unklar, von wem diese Lücke gefüllt werden könnte.

„Es wäre kurzsichtig, dem amerikanischen Beispiel zu folgen und den Biodiversitätserhalt auf breiter Front runterzufahren“, so Spohn. „Im Gegenteil: Eigentlich wären noch mehr Mittel nötig.“ Denn fast alles, was wir als Menschen brauchen, kommt aus der Natur – Nahrung, Rohstoffe, Medikamente, Wasser, Luft, auch die Regulierung des Klimas. Etwa drei Viertel aller Antibiotika sind zum Beispiel natürlichen Ursprungs, genauso wie knapp zwei Drittel aller Zytostatika, die vor allem für Chemotherapien gegen Krebs eine entscheidende Rolle spielen. Häufig kommen die natürlichen Rohstoffe dazu aus Entwicklungsländern, wie zum Beispiel ein 2011 auf den Markt gebrachtes Krebsmedikament, das auf Meeresschnecken und Blaualgen aus den Gewässern vor Mauritius zurückgeht.

Silke Spohn
Silke Spohn leitet das Sektorvorhaben „Biodiversität-Umwelt-Meere“ in der GIZ.

Naturprodukte aus anderen Weltgegenden für Deutschland wichtig

Gerade Deutschland ist bei seinen Lieferketten in hohem Maß auf Ökosysteme und Naturprodukte aus anderen Weltgegenden angewiesen. „Bei Kaffee, Kakao, Früchten und Nüssen ist das noch ziemlich offensichtlich“, sagt Spohn, „aber das gilt auch für viele Gewürze, Naturkautschuk, Baumwolle, Holz und verschiedene Mineralien.“ Vieles davon wird in Deutschland weiterverarbeitet oder veredelt und schafft neben Versorgungssicherheit auch Arbeitsplätze. Umgekehrt sieht das Weltwirtschaftsforum mehr als die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung durch den Niedergang der Natur gefährdet. Die Weltbank hat errechnet, dass ab 2030 etwa 2,7 Billionen US-Dollar pro Jahr an globaler Wertschöpfung durch Biodiversitätsschwund verloren gehen. Schon aus Eigeninteresse sollten deshalb auch Naturräume und Ökosystemleistungen wie Bestäubung in fernen Ländern intakt bleiben und entsprechend von Deutschland gefördert werden.

Mit dem „Global Biodiversity Framework “ haben sich im Jahr 2022 die 196 Vertragsparteien der Biodiversitätskonvention 23 neue, konkrete Ziele gesetzt. Dieser Rahmen wurde unlängst bei der Vertragsstaatenkonferenz (COP) 16 in Cali und Rom durch weitere zentrale Beschlüsse verstärkt. „Das alles sind Meilensteine im internationalen Biodiversitätserhalt; wichtig ist nun, diese Entscheidungen auch tatkräftig umzusetzen.“

Deutschland, bisher mit Frankreich, der EU und den USA ein großer Geldgeber in Sachen Biodiversität, hat wie so viele Staaten derzeit ebenfalls mit Budgetrestriktionen zu kämpfen. Umso erfreulicher ist es laut Spohn, dass sich im Koalitionsvertrag folgender Satz findet: „Den internationalen Biodiversitätsschutz werden wir fortführen“, auch wenn noch unklar ist, was das genau bedeutet. Dem Thema weniger Wert als bisher beizumessen, wäre auf lange Sicht fatal, meint Spohn: „für unser Klima, aber auch unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand“.

Biodiversität und Klimaresilienz im Blick

Ein leuchtend rotorangefarbener Felsenhahn sitzt auf einem Ast im dichten, grünen Regenwald.
Der Rote Felsenhahn ist als Nationalvogel ein Symbol für die außerordentliche Biodiversität Perus. Diese Vielfalt ist die existenzielle Grundlage für Mensch und Wirtschaft. Sie spielt für unsere Zukunft eine Hauptrolle. Doch dieser biologische Schatz ist bedroht. Wir unterstützen Peru dabei, seine Artenvielfalt für uns alle zu bewahren.
Ein Mann mit Basecap und grün-weißem Shirt erntet Kaffeekirschen von einem Strauch.
Mauro Vigo von einer Agrar-Kooperative im zentralperuanischen Junín bei der Kaffeeernte. Er weiß, dass die gefragten Bohnen und Biodiversität eng miteinander verbunden sind. Durch nachhaltigen Kaffeeanbau, insbesondere in Mischkulturen mit anderen Bäumen, wird die Artenvielfalt gefördert. Damit Peruaner*innen dabei ihre wirtschaftliche Grundlage sichern können, unterstützen wir sie mit dem Vorhaben „Nachhaltige Landwirtschaft für Waldökosysteme“.
Eine große Herde hellbrauner Vikunjas steht dicht gedrängt in trockener Landschaft.
Die wildlebenden Vikunjas galten vor 50 Jahren noch als bedrohte Tierart. In den vergangenen Jahrzehnten wurden Kontroll- und Überwachungsposten in Reservaten verstärkt und die Bevölkerung wurde im Umgang mit den Tieren geschult. Heute gibt es wieder rund 200.000 Vikunjas in Peru – ein Erfolg für den Erhalt der Biodiversität und gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zum Einkommen der ländlichen Gemeinden, die vom Verkauf und Export der Fellfasern leben. Die GIZ fördert mit peruanischen Partnern die Anpassung der Ökosysteme in den Hochanden an den Klimawandel.
Ein kreisförmig angelegtes landwirtschaftliches Feld mit Wasserbecken und grünen Pflanzreihen aus der Vogelperspektive.
Die Luftaufnahme zeigt eine landwirtschaftliche Fläche, die mit Hilfe der traditionellen „Waru Waru“-Methode der Aymara-Gemeinschaften im peruanischen Hochland bestellt und bewässert wird. Dieses indigene Produktionssystem macht es möglich, unter schwierigen Bedingungen Nahrungsmittel zu produzieren, und schützt gleichzeitig die Biodiversität. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Klimaresilienz. Peru hat bei seiner nationalen Biodiversitätsstrategie indigene Gemeinschaften intensiv mit eingebunden. Wir unterstützen das Land bei der Umsetzung der internationalen Biodiversitätsziele.
Eine indigene Frau hält eine selbstgemachte Halskette vor sich in die Kamera.
Celia Soto Ortiz stellt im Biosphärenreservat Oxapampa-Asháninka-Yánesha im zentralperuanischen Pasco Kunsthandwerk aus Samen und Früchten her. Sie sichert so ihren Lebensunterhalt. Frauen und indigene Gemeinschaften in die nachhaltige Nutzung und den Schutz der Biodiversität einzubinden, ist in Peru essenziell. Wir unterstützen das Land beim Umwelt- und Forstmanagement. In jüngster Zeit konnte die nachhaltig bewirtschaftete Waldfläche um rund 20 Prozent vergrößert werden.
Die Schwanzflosse eines Wals ragt über dem Wasser auf, während er in den Ozean abtaucht.
Im Norden Perus kann man Buckelwale in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten. Die Wale gehören zu den fünf Artengruppen (Wale, Delfine, Haie, Meeresschildkröten und Mantarochen), die von außergewöhnlichem Wert für die globale Biodiversität sind. Gleichzeitig sind sie besonders gefährdet, weil ihre Lebensräume in den Ozeanen oft Ländergrenzen überschreiten und ihr Schutz daher internationaler Zusammenarbeit bedarf. Die GIZ arbeitet mit Costa Rica, Panama, Kolumbien, Ecuador, Peru und Chile zusammen, um die marine Biodiversität im Südostpazifik schützen.
Nahaufnahme einer Hand, die eine Beinenwabe mit mehreren Bienen hält.
Stachellose Bienen, auch Meliponen genannt, werden in Peru zur Honigproduktion genutzt. Die tropischen Bienen sind in Lateinamerika ein unverzichtbarer Teil der lokalen Ökosysteme. Für die Bestäubung von Pflanzen sind sie unerlässlich: 75 Prozent der globalen Nahrungsmittelproduktion hängen von bestäubenden Insekten ab. Das heißt, ohne Bienen können wir nicht leben! Weil ihr Erhalt so wichtig ist, unterstützen wir Peru, Brasilien, Costa Rica, Mexiko und Paraguay dabei, die Bestäuber effektiv zu schützen und damit die Lebensgrundlagen indigener Völker und lokaler Gemeinschaften zu sichern.
Ein Mann in einem blauen T-Shirt betrachtet eine große, rote Kakaofrucht.
Lindley Caballero Mendoza ist Kakaoproduzent im nordperuanischen San Martín. Er baut Kakao nachhaltig an und pflanzt auf seiner Farm Bäume, weil er sich auch als Hüter des Waldes versteht. Damit Landwirte wie er die wertvollen Ökosysteme schützen und ihre Produkte gut vermarkten können, unterstützen wir sie beispielsweise durch digitale Instrumente bei der Dokumentation einer transparenten Lieferkette. In den vergangenen zwei Jahren wurden so mehr als 5.000 Kakaobauern in Peru und Kolumbien in die Lage versetzt, mit ihrer nachhaltigen Arbeit die richtigen Abnehmer*innen für ihre Produkte zu finden. Zu Innovationen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft arbeiten wir weltweit.
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