Ländliche Entwicklung und Agrarwirtschaft: Der lange Weg des Kaffees: Transparenz vom Anbau bis zum Kaffeegenuss

In Ruanda sichern sich Kaffeebäuerinnen durch Unternehmerinnengeist und digitale Innovationen angemessene Bezahlung.

© GIZ/Denyse K. Uwera
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Der lange Weg des Kaffees: Transparenz vom Anbau bis zum Kaffeegenuss

Von der Ernte bis zur Weiterverarbeitung und Auslese – im Kaffeeanbau stecken viel Arbeit und viel Herzblut. Doch die harte Arbeit auf den Kaffeefarmen reicht für viele kaum zum Leben – dies betrifft insbesondere Frauen. Daher schlagen Bäuerinnen in Ruanda mit digitalen Innovationen den Bogen bis zu den Konsumenten - und stärken dadurch ihre Position in globalen Lieferketten.

Mit den ruandischen Vulkanbergen im Hintergrund unter blauem Himmel sortieren die Arbeiterinnen der Kooperative Musasa Dukundekawa Kaffeekirschen. Auf großen Tüchern liegen die gelblich-orangefarbenen bis karminroten Früchte vor ihnen ausgebreitet. Insgesamt vier Mal verlesen sie den Rohstoff des weltweit beliebten Wachmachers im Verlauf der Verarbeitung. So stellen sie sicher, dass die Qualität der Kaffeebohnen ihren eigenen Ansprüchen genügt.

Dass Frauen die vielen anstrengenden Arbeitsschritte vom Anpflanzen bis zur Ernte und Auslese verrichten, ist nicht ungewöhnlich. Doch bei Musasa liegt auch die Unternehmensleitung in weiblicher Hand. Gemeinsam mit weiteren Kooperativen haben sie die Rwanda Smallholder Specialty Coffee Company (RWASHOSCCO) gegründet, ein Vermarktungs-, Export- und Röstunternehmen, das ganz in der Hand der Produzent*innen liegt und sämtliche Gewinne an diese zurückgibt. Doch auch darüber hinaus bestehen viele Missstände in der globalen Kaffeebranche: zwar sorgen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern für 70 Prozent des gesamten Anbaus. Doch gerade sie können wegen niedriger Preise für Rohkaffee meist nicht von ihrer Arbeit am Anfang der langen Lieferkette leben.

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Durch mehr Transparenz zu höherem Einkommen

Damit sich das ändert, unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH dieses ruandische Unternehmen. Im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) hat die GIZ unter anderem den Einsatz einer Open-Source-Technologie namens INATrace eingeführt. Sie ermöglicht eine lückenlose Rückverfolgung der Kaffeebohnen – etwa woher der Kaffee kommt, wann und wie er verarbeitet wurde, und insbesondere, welchen Preis die Bäuerinnen für ihren Kaffee erhalten haben. Diese Informationen können die Endverbraucher*innen über einen QR-Code auf der Verpackung abrufen.

Auf diese Weise geht die GIZ gleich mehrere Herausforderungen an. Oftmals gibt es keine direkte Beziehung zwischen den Produzent*innen vor Ort und den Unternehmen im globalen Norden, die den größten Anteil des Ertrags einstreichen. Die Lieferkette ist häufig nicht nachvollziehbar. Um die Situation von Kleinbauernfamilien zu verbessern, müssen Unternehmen und Regierungen die Produktionsbedingungen kennen. Erst dann sind sie in der Lage, gute Arbeitsbedingungen zu unterstützen und zum Beispiel gegen Kinderarbeit vorzugehen. Die Unternehmen können zudem in langfristigen Verträgen faire Preise festlegen.

Die Bäuerinnen von RWASHOSCCO konnten bereits spürbare Fortschritte durch die Nutzung von INATrace erzielen. Diese ermöglicht eine Digitalisierung der Betriebsprozesse und stellt Daten und Informationen über den Kaffee für Käufer in Deutschland bereit. Die via QR-Code abrufbaren Angaben zur Qualität des Kaffees, zu gezahlten Preisen und beteiligten Akteuren wie Kooperativen und Röstern schaffen zudem Vertrauen. „INATrace ist eine großartige Plattform für Kaffeeproduzent*innen, um ihre akribische Arbeit transparent zu machen“, lobt Angelique Karekezi, Geschäftsführerin des ruandischen Kaffee-Verbandes.

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Digitalisierung zeigt nachhaltige Anbaupraktiken

Dies gilt nicht nur für die Produktionsbedingungen, sondern auch für den Anbau: Während sich der weltweite Kaffeekonsum in den vergangenen 35 Jahren verdoppelte, sorgt der Klimawandel für Ernteausfälle. Daher weichen die Produzent*innen in höhere Lagen aus, wo günstigere Bedingungen für die empfindliche Kaffeepflanze herrschen. Gute landwirtschaftliche Praktiken bewahren die Ökosysteme und sichern das Angebot an Rohstoffen nachhaltig.

Nach Anbau, Handel, Transport und Verarbeitung stehen als letztes Glied der Lieferkette die Verbraucher*innen. Es liegt auch in ihrer Macht, sozialverträglichen und umweltfreundlichen Kaffeeanbau zu ermöglichen. Um dieses zu erreichen, arbeitet RWASHOSCCO für den Vertrieb in Deutschland mit der Berliner Kaffee-Kooperative zusammen. Diese versteht sich als verlängerter Arm der ruandischen Bäuerinnen und lässt ihnen die volle Kontrolle über ihr Produkt. Der Gründer der Kaffee-Kooperative, Xaver Kitzinger, ist sich sicher: „Es braucht mehr hochwertige und transparente Marken, bei denen sichergestellt ist, dass die Produzent*innen am Anfang der Lieferkette ihren fairen Anteil erhalten.“

Denn der im internationalen Vergleich schon recht hohe Mindestpreis, den Bäuerinnen und Bauern in Ruanda für ihren Kaffee erhalten, betrug 2020 umgerechnet auf ein Kilo Arabica-Röstkaffee etwa 1,31 Euro. Viele Konsument*innen wären bereit, etwas mehr zu zahlen, wenn damit eine faire Entlohnung der Produzent*innen sichergestellt wäre. Die hilfreiche Transparenz dafür liefert INATrace.  Die übertragbare Lösung, deren Quellcode frei zugänglich und nutzbar ist, wird daher stetig weiterentwickelt, für andere Agrarlieferketten angepasst und soll künftig auch die Erfassung von GPS-Daten oder Feldflächen der Farmen ermöglichen, um eine entwaldungsfreie Produktion nachweisbar zu machen.

Stand:  März 2023

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