Soziale Entwicklung: Mit Plan durch die Pandemie

Weltweit erfordert das Coronavirus flexible und lokale Lösungen. Im Irak und im Libanon kann die GIZ dafür auf bereits bestehende Strukturen zurückgreifen.

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Mit Plan durch die Pandemie

Die Pandemie stellt viele Länder vor ungeahnte Herausforderungen. Für manche Lösungen können sie dennoch auf bestehende Ideen setzen. Im Irak etwa werden Innovationszentren genutzt, um medizinische Ausrüstung zu entwickeln. Und im Libanon zahlen sich Vorkehrungen für den digitalen Unterricht aus.

Ob Gesundheit, Wirtschaft oder Bildung. Die Herausforderungen, die durch das Coronavirus entstehen, sind vielfältig. Was also können Länder tun, um in der Pandemie handlungsfähig zu bleiben? In vielen Einsatzländern der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH können die Regierungen auf bestehende Ressourcen und Strukturen zurückgreifen. Laufende Projekte, die die GIZ gemeinsam mit ihren Auftraggebern und Partnern durchführt, können durch flexible Nutzung auch neue Bedürfnisse erfüllen. Zum Beispiel im Irak: Geschlossene Grenzen und der weitgehende Stillstand des Warenverkehrs während der Pandemie erschweren die Produktion dringend benötigter medizinischer Ausrüstung. Das Land verfügt jedoch über ein Netzwerk von Innovationszentren, die mit moderner technologischer Infrastruktur kreative Lösungen entwickeln können.

 

 

Irak: Kreative Köpfe für Lösungen vor Ort

Ausgestattet mit hochmodernem Equipment wie 3D-Druckern und Laserschneidern entwickelten Teams in den Innovationszentren in Mosul und Basra, sogenannten Makerspaces, digitale Prototypen für Gesichtsschutzschilder für medizinisches Personal und stellten diese mithilfe der 3D-Drucker direkt selbst her. Die Entwicklung der Prototypen erfolgte in engem Austausch mit Mediziner*innen vor Ort, verwendet wurde ausschließlich lokal verfügbares Material. Mehr als 10.000 Schilder wurden bis Anfang Juni bereits produziert. Die Nachfrage ist groß: Viele Organisationen wollen ihr Personal mit den Schildern ausstatten. Der Fokus der Makerspaces liegt aber eher auf Innovation als Massenproduktion. Die weitere Produktion der Schutzschilder sollen lokale Kleinunternehmen übernehmen. Die Makerspaces arbeiten bereits an neuen Lösungen: Etwa ein Sensor, der es dem Personal in Krankenhäusern ermöglicht, Wasserhähne mit dem Fuß zu bedienen und somit Kontaktflächen für potenzielle Infektionen zu reduzieren. Um Angebot und Nachfrage regional noch besser zu koordinieren, können Einrichtungen und lokale Produzenten nun auf einer Onlineplattform Bedarfe anmelden und Produkte anbieten.

Die GIZ unterstützt den Aufbau einer modernen technologischen Infrastruktur im Irak bereits seit 2018. Im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) wurden fünf Innovationszentren im Land auf- bzw. ausgebaut und mit technischer Infrastruktur ausgestattet. Nun treffen sich hier junge Menschen und arbeiten gemeinsam an Problemlösungen. Gleichzeitig nutzen sie die vorhandenen technischen Geräte in den Makerspaces und entwickeln neue Ideen und Prototypen. Mehr als 5.500 junge Menschen haben von den Angeboten in den Innovationszentren bereits profitiert, 50 neu gegründete Startups nutzen die Räumlichkeiten und Trainingsangebote.

Libanon: Mit guter Vorbereitung zu digitaler Bildung

Auch im Libanon erweisen sich bestehende Lösungen in der Pandemie als besonders wertvoll. Bereits im Jahr 2018 entwickelten ehemalige Universitätsprofessor*innen der Nichtregierungsorganisation „Libanese Alternative Learning“ (LAL) mit „Tabshoura“ eine eLearning-Plattform für Schulkinder. Entworfen wurde die Plattform als Ergänzung zum gängigen Unterricht in öffentlichen Schulen, um unter anderem auch geflüchteten Kindern aus Syrien einen Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Aufgrund von politischen Unruhen kam es bereits Ende 2019 zu Unterrichtsausfällen, seit Ende Februar sind alle Schulen wegen des Coronavirus geschlossen. 

Mit der mehrsprachigen Plattform können Schulkinder im Libanon nun Unterrichtsinhalte zu Hause erarbeiten, dafür brauchen sie nicht einmal eine Internetverbindung. „Tabshoura“, deutsch MalKreide, ist eine der wenigen Lernplattformen im Libanon, deren Inhalte für den Einsatz im staatlichen Schulsystem zugelassen sind. „Wir sind die meistgenutzte E-Learning Plattform im Libanon, weil wir uns genau nach der Struktur des Curriculums richten“, sagt LAL-Direktorin Nayla Fahed. Die Didaktik stellt die Schulkinder ins Zentrum ihres Lernens: Selbständig erarbeiten Kinder Fragestellungen und Lösungen, erhalten schrittweise Feedback und bauen so eigenständig neues Wissen auf. 

Um Schüler*innen aus Regionen ohne stabile Internet- und Stromverbindung bestmöglichen Zugang zur Plattform zu ermöglichen, werden die Inhalte zusätzlich als “Tabshoura in a box” an den Schulen verteilt. Dahinter verbergen sich Mini-Computer mit Speichermedium. Mithilfe dieser Tabshoura-Box können die Schüler*innen Lerninhalte auf ihre Endgeräte übertragen und diese auch ohne bestehende Internetverbindung abrufen. Für Kinder, die keine digitalen Geräte besitzen, wird aktuell ein von den Schulen selbst verwaltetes Leihsystem entwickelt.  

Im Auftrag des BMZ und in Zusammenarbeit mit LAL digitalisiert die GIZ weitere Inhalte aus den Lehrplänen und gestaltet bereits bestehende Lerneinheiten so inklusiv und barrierefrei wie möglich. Der Fokus liegt auf naturwissenschaftlichen Fächern, Technik und Fremdsprachen, es werden jedoch auch weitere Inhalte entwickelt, die über das Schulkurrikulum hinaus gehen. Umweltthemen und die Auswirkungen von COVID-19 auf Wirtschaft und Gesellschaft werden derzeit aufgearbeitet, um sie auf der Plattform zugänglich zu machen. 15.000 Kinder und Jugendliche nutzen die Plattform bereits, mehr als 500 Lehrkräfte haben sich in der Nutzung von „Tabshoura“ weitergebildet. Während der Pandemie sorgt „Tabshoura“ dafür, dass Schulkinder weiterhin Inhalte lernen und sich auf Prüfungen vorbereiten können. Auch nach einer Wiederöffnung der Schulen sollen Lehrer*innen und Kinder von der Erweiterung der E-Learning-Angebote profitieren. 


Stand: Juni 2020
 

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